Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
ausbreitete, eines Tages noch Kardinal zu werden und nach Rom zu gehen. Aber was er jetzt bereits geschafft hatte, war auch nicht zu verachten.
Als kleiner Messdiener bereits hatte er allen großspurig erzählt, er würde eines Tages Bischof einer Diözese und dabei hatte er unbewusst immer an Trier gedacht. Noch heute wurde ihm heiß, wenn er nachempfand, wie sie ihn wegen dieses Wunsches, nein Zieles, korrigierte er sich, verlacht und aufgezogen hatten. Auch noch später belächelt, als er längst im Kirchendienst tätig war. Wann er denn endlich den ›Thron‹, wie sie sich spöttisch ausdrückten, besteigen würde, hatten sie ihn gehänselt. Er grinste kalt. Der Pressedienst des Bistums würde schon dafür sorgen, dass sie es alle zu hören und zu lesen bekamen. Ein Gefühl der Genugtuung durchströmte ihn, das jedoch alsbald den Sorgen wich, die er sich selbst aufgebürdet hatte. Er musste einen Weg finden, mit oder ohne Gottes Hilfe. Bei dem Gedanken fiel ihm auf, dass er, was diese Sache betraf, an Gott schon länger nicht mehr gedacht hatte. Er hielt ihn da raus, bat nicht mal um Hilfe. Er musste das allein beenden. Viel zu viel hatte er sich in letzter Zeit gezwungener Maßen ablenken lassen. Er war davon ausgegangen, dass es sich erledigt hatte. Doch das war trügerisch gewesen. Die Journalistin, schoss es ihm durch den Kopf. Sie befasste sich hauptsächlich mit Kriminalfällen, das hatte er bisher über sie herausbekommen. Er sollte sie nicht aus den Augen lassen. Unbewusst sah er zu den weißen dünnen Stoffhandschuhen auf dem Beifahrersitz.
Die A 1 war an diesem Donnerstagabend rege befahren. Er näherte sich Wittlich, bald würde die Abfahrt kommen, in dessen Nähe sie sich auf einem kleinen Waldparkplatz verabredet hatten. Johannes hatte vorgeschlagen, ihm die Hälfte der Strecke von Trier bis Bad Neuenahr entgegen zu fahren, nachdem Lennart ihn ziemlich rüde hatte wissen lassen, dass er in Arbeit versank. Ein wenig klappern gehörte zum Handwerk. Aber selbst, wenn er hätte bis Walporzheim fahren müssen, er hätte es getan. Zu gespannt war er, ob Johannes tatsächlich das auf dem Herzen hatte, was Lennart vermutete. Ob Johannes seinen Verdacht, den er logischerweise haben musste, auch ihm gegenüber äußern würde.
Mit gemäßigter Geschwindigkeit nahm er die Abf ah rt bei Wittlich und fuhr Richtung Berlingen. Nach einigen Kilometern hatte er den kleinen, entlegenen Wanderparkplatz erreicht. Von dem Lexus war noch nichts zu sehen. Lennart schaute nervös auf die Uhr, er hoffte, Johannes würde sich nicht zu sehr verspäten. Unwillkürlich sah Lennart zum Himmel. Die Wolken von heute Morgen waren jetzt gegen Abend zurückgekehrt. Womöglich würde es Regen geben. Er stieg aus und vertrat sich ein wenig die Beine. Ohne einen besonderen Grund, ohne zu wissen warum, war er der Eingebung gefolgt, zu diesem Treffen nicht seine Amtskleidung zu tragen. In schwarzer Jeans von Boss, er legte noch immer Wert auf Markenartikel, und in seinem Sommershirt mit der diskreten Aufschrift › Tom Tailor ‹ vermutete man in ihm keinen Geistlichen.
Erneut sah er auf die Uhr. Von Johannes immer noch keine Spur. Lennart beschloss, ihn anzurufen, als ihm einfiel, dass Johannes noch kein Handy besaß. Das schon die ganze Zeit andauernde beklemmende ahnungsvolle Gefühl in ihm verstärkte sich, je länger sich Johannes‘ Ankunft verzögerte. Aber der Geistliche riss sich zusammen. Nach einer halben Stunde vergeblichen Wartens entschloss er sich, anstatt zurück nach Trier weiter nach Walporzheim zu fahren, obwohl er erst gestern Nachmittag bei Herberts Beerdigung dort war. Leonie würde er erzählen, dass er wegen einer Dienstreise in der Nähe gewesen sei. So konnte er sich unverfänglich ein wenig umhören, wie die Dinge standen. Vielleicht würde er ja etwas herausbekommen.
Während er ohne Hast Richtung Autobahn fuhr, musste er an seinen Freund Herbert denken. Das lenkte seinen Sinn auf die beiden Kripobeamten. Sie hatten ihn bald nach Herberts Tod in seiner Wohnung aufgesucht. Über einen Gesprächsnachweis des Providers hatten sie herausbekommen, dass er der Letzte gewesen war, der mit Herbert telefoniert hatte. Anschließend hatten sie sich für ihren Besuch entschuldigt.
Kurv vor der Autobahnauffahrt entschied er sich aus einem Impuls heraus, erst irgendwo in Ruhe gemütlich und entspannt zu Abend zu essen und danach seine Kleidung zu wechseln. Bei dem Gedanken huschte ein Lächeln über seine Lippen. Wie
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