Winzertochter (Contoli-Heinzgen-Krimi)
zuzulassen.
„ Oh, Leonie, hast du deinen Ausweis, das ist wichtig“, warf Anke ihr die Frage über die Schulter zu, als Leonie ihr endlich folgte. Diese hob daraufhin ihren kleinen pinkfarbenen Lederbeutel hoch und schwenkte ihn leicht, dazu nickte sie. Sie hatte sich geschwind umgezogen, trug eine zur Tasche farblich passende 7/8 Hose, dessen Saum mit einem türkisfarbenen Perlenband verziert war. Und genau in dieser Farbe fiel das weit ausgeschnittene T-Shirt aus. Darüber trug sie eine dunkelblaue, etwas verwaschene Jeansjacke. Wie ein Modell aus dem Katalog, durchfuhr es Anke. Ein klein wenig breitete sich Neid in ihr aus. Und für einen Moment wünschte sie sich, ebenfalls zwanzig Jahre weniger auf dem Buckel zu haben. Schalt sich aber gleich darauf albern. Ob die frischen Farben, die Leonie in letzter Zeit trug, das langsame Aufblühen ihrer Seele widerspiegelte?, überlegte Anke. Welch ein Druck musste von der jungen Frau abgefallen sein nach dem Tod von Herbert Rosskamp. Obwohl Leonie immer noch die meiste Zeit über betrübt wirkte, war heute nach Ankes Empfinden ein Aufglimmen ihrer Lebenslust spürbar. Das konnte auch mit der Rückkehr Thomas Brolls zu tun haben.
Kurze Zeit später parkte Anke den Porsche auf dem Parkplatz hinter dem Amtsgericht. Das Gerichtsgebäude wurde Anfang des letzten Jahrhunderts errichtet und 1992 saniert und erweitert. Es lag zwischen den Zentren der Stadtteile Ahrweiler und Bad Neuenahr direkt neben der Polizei und in unmittelbarer Nähe der Kreisverwaltung und dem Gesundheitsamt. Anke und ihre neue Freundin Leonie marschierten vor bis zur Wilhelmstraße. Anke drückte gegen die ansehnliche weiße Eingangstür und klopfte innen gegen die Scheibe des Empfangs. Der jüngere der uniformierten Männer deutete ihnen mit einer Handbewegung an, die nächste Tür zu passieren und in den Flur zu treten.
„Zimmer Nr. 29“, erklärte er auf Ankes Frage nach dem Grundbuchamt, „dort den Flur entlang bis in den Neubau.“
Zimmer 29 war ein circa 60 qm großer heller Raum, in dem vier Mitarbeiter an ihren ebenfalls großzügig ausgerichteten Schreibtischen saßen. Gleich rechts am Eingang grenzte eine Art Besuchertheke den Arbeitsbereich ab. Leonie erklärte dem zuständigen Mitarbeiter für die Weinbergparzellen, was sie wollte und wies sich als Berechtigte aus. Der Herr mittleren Alters winkte sie herüber zu dem etwas abseitsstehenden Computer. Nach ein paar Handgriffen und Einstellungen flimmerte die Historie der Rosskamp'schen Weinbergparzellen vor ihnen auf dem Bildschirm. Leonie zeigte mit ausgestrecktem Finger auf einen Eintrag zu der Parzelle Pfaffenberg und sah Anke ungläubig an.
„Irgendwie dachte ich mir so etwas“, flüstere Anke. „Sag mal, hat Johannes eigentlich ein Handy?“
Leonie schüttelte langsam den Kopf, „So viel ich weiß, ist er hier noch nicht dazu gekommen, sich eines zu kaufen.“
29
Dr. Klaus Lennart schniefte während der Fahrt ständig nervös durch die Nase. Eine lästige Angewohnheit aus der Kindheit, die in letzter Zeit wieder hervorgebrochen war. Was wollte Johannes von ihm? Diese Frage kreiste in seinem Kopf. Obwohl es wahrscheinlich sinnlos war, hoffte er inständig, es möge nicht das sein, was er insgeheim vermutete. Heute Mittag hatte ihn sein Anruf erreicht. Lennart war in seinem Büro tätig gewesen. Seine Sekretärin hatte ihm einen Anrufer gemeldet, der partout hatte seinen Namen nicht nennen wollen, aber stur behauptete, er sei ein Verwandter. Schließlich hatte sie ihn durchgestellt und einer Intuition folgend hatte er den Anruf angenommen. Johannes hatte um ein dringendes Treffen gebeten, aber Lennart hatte ihn auf den Abend vertrösten müssen. Denn in seinem Amt gab es Arbeit und Vorbereitungen ohne Ende, dass er eigentlich seinen Kopf unter dem Arm tragen müsste.
„ Ich stehe auf der Vorschlagsliste, die das Domkapitel für Rom erstellt hat“, murmelte er vor sich hin und konnte es kaum fassen. Ein freudiges, stolzes Gefühl breitete sich in seiner Brust aus, die er daraufhin unwillkürlich vorstreckte. Sicherlich, die Liste war geheim, aber oftmals sickerte doch was durch. So war es auch diesmal. Lennart hatte es auf die entscheidende Dreierliste geschafft, und wenn er weiterhin Glück hatte, dann .... Bei der Vorstellung umschloss er das Lenkrad fester, dass die Handknöchel weiß hervortraten. Er war so gut wie am Ziel, höher hinaus wollte er nicht. Wenngleich sich schon einige Male der kühne Gedanke in ihm
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