Wir beide, irgendwann
leidenschaftliche Gegner dieses neuen Verbots sind, aber nicht wegen der Persönlichkeitsentfaltung, sondern wegen des schönen Anblicks. Das hat Kellan so aufgeregt, dass sie mit einer Handvoll Pommes nach ihm geworfen hat.
»Die zweite Frage ist etwas schwieriger«, fährt Ms Tuttle fort. Sie wirft einen Blick auf das Klemmbrett und liest vor: »Wenn sich die Dinge sexuell zu schnell entwickeln und ein Mädchen sich sichtlich unwohl fühlt, sollte der Junge dann aufhören, auch wenn das Mädchen nicht das Wort Nein gesagt hat?«
Diesmal stehen die vier Ecken für die Antworten »Ja«, »Nein«, »Der Junge sollte fragen, ob alles in Ordnung ist« und »Ich brauche mehr Informationen«. Die Schüler schlurfen unschlüssig durcheinander, bis sie sich zu ungefähr gleichen Teilen für »Ja« und »Der Junge sollte fragen …« entschieden haben. Erstaunlicherweise finden drei Mädchen, der Junge solle einfach weitermachen.
Ruby Jenkins verteidigt ihren Standpunkt. »Ich kenne Mädchen, die schon mal in solch einer Situation waren. Tut mir leid, aber da muss man doch den Mund aufmachen!«
»Ich verstehe, was du meinst«, entgegnet Ms Tuttle. »Aber was würdest du dazu sagen, wenn jetzt neben dir ein Junge stehen würde?«
Ruby grinst. »Dann würde ich ihn Sie wissen schon wohin treten.«
Die anderen beiden Mädchen in ihrer Ecke lachen und machen High five mit ihr.
»Das ist doch Schwachsinn!«, ruft ein Junge. Es ist derselbe, der denkt, dass Fritz und Tuttle was miteinander haben. »Das ist weiblicher Sexismus. Das Mädchen muss laut und deutlich was sagen.«
Der Typ ist Mitglied der Footballschulmannschaft. Wann immer ich ihm begegne, habe ich das Bedürfnis, mich sofort auf den Boden zu werfen und fünfzig Liegestütze zu machen.
»Das war nicht die Frage, Rick«, sagt Sydney. »Wenn ein Junge ein Mädchen zu sehr bedrängt und sie sich sichtlich unwohl fühlt, dann muss er sie in Ruhe lassen.«
Ein Mädchen hinter mir lacht in sich hinein. Eine andere flüstert: »Ich dachte, ein zu sehr kennt die gar nicht.«
Meine Augen sind auf Sydney gerichtet. Ich glaube nicht, dass sie den Kommentar aus meiner Ecke gehört hat, doch für einen kurzen Moment sehe ich, dass sie sich auf die Lippen beißt.
»Ich sage ja nur«, fährt sie mit leiser Stimme fort, »dass sie nicht alles aussprechen muss, um respektiert zu werden.«
»Der Junge muss also Gedanken lesen können«, erwidert Rick.
»Ich meine …« Sydney bricht den Satz ab und schüttelt den Kopf.
Mr Fritz öffnet den Mund, doch ehe er etwas sagen kann, platze ich heraus: »Sie hat recht. Das ist eine Frage des Anstands!«
Kam das wirklich von mir? Es stimmt zwar, aber warum habe ich das vor allen Leuten gesagt? Und vielleicht hätte ich doch eine andere Formulierung wählen sollen.
»Guter Punkt«, bemerkt Mr Fritz und tippt mit seinem Stift gegen das Klemmbrett. »Okay, bei der nächsten Frage geht es um Sex vor der Ehe. Ich bin mir sicher, dass ihr dazu eine entschiedene Meinung habt.«
»Eine Frage des Anstands?«, flüstert Abby Law mir zu. »Das hätte von meinem Vater kommen können.«
Ich blicke starr vor mich hin und tue so, als hätte ich sie nicht gehört. Aber dann bemerke ich auf der anderen Seite der Bühne etwas Ungewöhnliches.
Sydney Mills schaut direkt zu mir herüber.
21 ://Emma
Nach dem letzten Klingeln verstaue ich mein Saxofon in meinem Garderobenschrank und laufe zum Schülerparkplatz. Obwohl sich ein Ausflug zur Stadtbibliothek harmlos anhört, weiß ich, dass ich lieber nicht tun sollte, was ich gerade vorhabe. Und da ich auch Leichtathletik sausen lassen will, sollte ich das Schulgelände so schnell wie möglich verlassen.
»Emma! Warte!«
Josh läuft mir winkend entgegen. Ich habe ihn seit der Lunchpause, als er sein Skateboard auf dem Rücksitz meines Wagens deponiert hat, nicht gesehen.
»Ich brauche mein Board«, sagt er. »Tyson und ich wollen zu Chris McKellars Halfpipe.«
»Hört sich gut an«, entgegne ich und versuche, meine Nerven im Zaum zu halten.
»Alles okay mit dir?«, fragt er.
»Ja, ja, alles okay.« Ich öffne die Fahrertür und steige ein, ohne ihn noch mal anzusehen. Ich hasse es, Josh etwas vorzumachen, aber ich kann ihm nicht sagen, was ich vorhabe. Mein zukünftiger Ehemann ist seit drei Nächten nicht nach Hause gekommen. Drei Nächte! Und jetzt nimmt er mein Geld, um sich irgendeinen Apparat zu kaufen. Was dazu führt, dass ich mir nicht mal den Therapeuten leisten kann, den ich dringend
Weitere Kostenlose Bücher