Wir beide, irgendwann
Foto in der Ecke.
»Warte!« Ich springe vom Bett auf und drehe Emma zu mir herum. »Bevor du nachschaust, sollten wir ein paar grundsätzliche Spielregeln vereinbaren. Sonst wächst uns die Sache noch völlig über den Kopf.«
Über Emmas Schulter hinweg sehe ich, dass sich die neue Seite auf dem Bildschirm fast vollständig aufgebaut hat. Das Foto in der Ecke ist ein anderes als gestern. Die Augen der erwachsenen Emma sind geschlossen. Ihr Gesicht schmiegt sich an ein Baby, das ein rosa Mützchen trägt.
»Was für Spielregeln?«, fragt sie.
»Wir dürfen nicht allzu wählerisch sein«, antworte ich. Das Baby hat einen kleinen Speicheltropfen zwischen den Lippen. »Wenn dir dein zukünftiges Leben also einigermaßen akzeptabel erscheint, dann sollten wir uns nicht weiter einmischen.«
Emma dreht ihren Kopf ein wenig zur Seite. »Du siehst schon was auf dem Bildschirm, stimmt’s?«
»Bevor du hinschaust«, entgegne ich und halte ihren Stuhl fest, »musst du mir versprechen, deine Zukunft nicht anzutasten, es sei denn, sie kommt dir absolut schrecklich vor. Und selbst dann müssen wir erst mal darüber reden.«
»Okay. Lässt du mich jetzt sehen, ob ich ihn losgeworden bin? Das ist nämlich alles, was mich interessiert.«
Ich drehe ihren Stuhl um.
Emma stößt einen hellen Laut aus. »Ein Baby! Ich habe ein Baby!« Sie berührt das Gesicht des kleinen Mädchens und streicht mit dem Finger über den Bildschirm.
Verheiratet mit Kevin Storm
Emma lässt die Hand langsam in ihren Schoß sinken.
»Du hast es geschafft«, sage ich. »Du hast Junior zum Teufel gejagt.« Ich werfe einen zweiten Blick auf den Namen ihres neuen Ehemanns. Kevin Storm. Hört sich wie das Pseudonym eines Superhelden an.
»Ich wollte doch nur glücklich sein«, sagt sie leise. »Aber ich will auch, dass Jordan Jones glücklich wird. Ist das nicht seltsam?«
»Sieh es so: Jetzt, da du aus seinem Leben verschwunden bist, gibst du ihm die Möglichkeit, die Person zu finden, die wirklich zu ihm passt.«
»Zum Beispiel die Schlampe, mit der er mich drei Nächte lang betrogen hat.« Emma beugt sich näher an den Monitor heran und tippt mit dem Finger daran. »Schau mal! Jetzt bin ich Meeresbiologin!«
Arbeitet am Meeresbiologischen Institut
»Wir merkwürdig«, sage ich.
»Warum denn? Ich liebe das Meer. Weißt du noch, wie ich meinen Dad an Weihnachten in Florida besucht habe? Da haben wir zusammen einen Tauchkurs gemacht.«
»Mit der Liebe zum Meer allein wirst du aber noch lange keine Meeresbiologin«, sage ich. Natürlich will ich sie nicht entmutigen, doch gibt es an diesem Institut bestimmt viele Mitarbeiter, die keine Meeresbiologen sind.
Emma schaut mich herablassend an. »Nur, dass du’s weißt. Ich werde mit Kellan nächstes Jahr einen Biokurs am College belegen.«
»Das ist ja das Allerneuste.«
Emma macht es sich in ihrem Korbsessel bequem und schlägt die Beine übereinander. »Oh, tut mir leid. Ich wusste nicht, dass ich verpflichtet bin, dir alles zu erzählen.«
Ich nehme Emmas Platz vor dem Computer ein. »Da du jetzt so glücklich bist, schau ich lieber mal nach, ob dein Glück nicht meine Zukunft mit Sydney gefährdet.«
Gerade als ich Emmas Freundesliste durchgehen will, um meinen Namen zu suchen, entdecke ich einen Eintrag von mir auf Emmas Seite.
»Hör mal zu«, sage ich und lese vor:
Emma Nelson Storm
Hier gibt es einen Bauernmarkt mit haufenweise regionalen Produkten. Ich habe gerade einen Bio-Pfirsichkuchen gekauft. Mein Schatz wird entzückt sein!
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Josh Templeton Da läuft einem ja das Wasser im Mund zusammen.
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»Siehst du?«, sagt Emma. »Ich entzücke meinen neuen Mann!«
Das gestrige Foto hat mich mit einer Traube von Luftballons gezeigt. Jetzt sehe ich nichts weiter als die Nahaufnahme eines Augapfels. Ich klicke auf das Auge und trommle, während die neue Seite langsam geladen wird, mit meinen Fingern auf die Tischplatte.
Verheiratet mit Sydney Templeton
»Yes!« Ich springe auf und boxe erleichtert gegen eine von Emmas Papierlaternen.
»Lass mein Zimmer heil«, mahnt mich Emma, doch sie lächelt.
Sollte sie auch. Unser beider Zukunft sieht großartig aus. Selbst Emmas Ehemanntausch konnte Sydney nicht von mir abbringen. Unsere Beziehung scheint so stabil zu sein, dass nichts und niemand uns auseinanderbringt.
Ich lehne mich entspannt zurück und lese die nächsten Einträge vor. Der erste ist ziemlich
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