Wir beide, irgendwann
werde mir in Zukunft mehr Mühe geben, deine Privatsphäre zu respektieren.
Martin
P.S. Dein Dad hat eine Nachricht für dich auf dem AB hinterlassen.
Ich falte den Zettel in der Mitte und gehe ins Badezimmer, um mein Gesicht zu waschen. Die herausgeschlagenen Kacheln sowie die Rohre, die aus der Wand schauen, lassen das Bad wie ein Schlachtfeld aussehen. Doch auf dem Boden liegt schon eine Reihe hübscher blauer Kacheln bereit, die Mom und Martin ausgesucht haben.
Ich muss sie wissen lassen, dass mir ihre Wahl gefällt.
In der Küche gieße ich mir ein Glas Eiswasser ein, bevor ich die Nachricht meines Vaters anhöre.
»Hi, Emma«, sagt seine Stimme. »Tut mir leid, dass es ein bisschen gedauert hat, bis ich auf deinen Anruf reagiere. Die letzten Tage hier waren sehr anstrengend. Wir sind mehrmals mit Rachel ins Krankenhaus gefahren, um verschiedene Untersuchungen und Tests durchführen zu lassen …«
Mein Dad hält inne, um Luft zu holen, und ich spüre, wie mir Tränen in die Augen steigen. Ich habe einen Stoffhund geschickt, nachdem Rachel geboren wurde, aber danach habe ich mir nicht mehr gestattet, viel über meine Babyschwester nachzudenken. Jetzt würde ich sie am liebsten im Arm halten, ihr sagen, dass ich sie liebe und dass sie bestimmt wieder gesund werden wird.
»Bitte ruf mich zurück«, fährt mein Dad fort. »Cynthia und ich würden uns so darüber freuen, wenn du uns im Sommer besuchen kommst. Wir vermissen dich beide. Ich vermisse dich.«
➜
Unter »Favoriten« habe ich immer noch Facebook gespeichert.
Bitte lass das alte Passwort noch gültig sein , flehe ich im Stillen. Nur noch dieses eine Mal.
Ich tippe EmmaNelson 4 Ever@ AOL .com und Millicent ein und drücke die Entertaste.
Ich stoße erleichtert die Luft aus. Das Passwort ist noch gültig.
Emma Nelson
Schwierige Entscheidung, aber ich habe mich dazu entschieden, meinen Facebook-Account zu löschen. Ich will mehr Zeit damit verbringen, im Hier und Jetzt zu leben. Ihr wisst, wie ihr mich erreichen könnt.
Gefällt mir · Kommentieren · Vor 2 Stunden
Ich unterlasse es, meinen Beziehungsstatus oder meinen Wohnort zu überprüfen. Stattdessen öffne ich meine Freundesliste, scrolle bis zum Buchstaben R – und da ist sie.
Auf dem kleinen Foto ist meine Schwester ungefähr fünfzehn Jahre alt mit dunkelbraunen Augen und braunen Locken, genau wie ich. Ich betrachte ihr Gesicht, lehne mich auf meinem Stuhl zurück und lasse meinen Tränen freien Lauf.
Nach ein paar Minuten trockne ich meine Augen und scrolle zum Buchstaben J zurück. Josh und ich sind wieder befreundet. Er steht vor einer urigen Berghütte, einen blauen Rucksack über den Schultern. Seine Haare sind struppiger als sonst und er grinst direkt in die Kamera. Ich schiebe den Pfeil an Joshs Foto heran, entscheide mich dann jedoch, es nicht anzuklicken. Ich habe keine Lust mehr, kurze Textbotschaften interpretieren zu müssen. Wenn Josh glücklich aussieht, dann sollte ich mich für ihn freuen.
Bevor ich Facebook schließe, kontrolliere ich eine letzte Sache. Ich klicke auf meine Fotos und finde ganz unten auf der Seite erneut ein Album, das »Highschool-Erinnerungen« heißt. Es dauert eine ganze Weile, bis die entsprechende Seite geladen ist. Nach ein paar Minuten sehe ich ein Foto von mir. Es wurde an dem Tag aufgenommen, an dem ich meinen Führerschein gemacht habe. Und hier ist das Foto, auf dem sich Tyson und Josh ihre Skateboards wie Schwerter entgegenstrecken. Dann mein Po im braunen Bikini: »Die gute alte Zeit.« Und ganz unten die Aufnahme, die Kellan, Tyson, Josh und mich von Plastikbällen umgeben im GoodTimez zeigt. Ich beuge mich näher an den Bildschirm heran. Die Qualität ist nicht perfekt, doch wer genau hinsieht, erkennt die feinen Linien, die das Foto durchziehen – als sei es einst zerrissen und wieder zusammengeklebt worden.
➜
Ich ziehe das Kabel aus der Buchse, die sich auf der Rückseite des Computers befindet, und verbinde es mit meinem Telefon. Beim Anschluss meines Vaters klingelt es zweimal, dann ist Cynthia am Apparat,
»Hallo, hier ist Emma.«
»Hallo Emma.« Ihre Stimme klingt erschöpft. »Dein Dad wird sehr froh über deinen Anruf sein. Er gibt Rachel gerade das Fläschchen. Kann er dich gleich zurückrufen?«
»Natürlich. Er hat etwas über Rachel auf Band gesprochen … dass es ihr nicht gut geht.«
Cynthia stößt einen Seufzer aus. »Die Ärzte wissen immer noch nicht, warum sie nicht zunimmt. Das ist … wirklich eine
Weitere Kostenlose Bücher