Wir beide, irgendwann
nach Hause«, sage ich.
Cody presst seinen Kiefer zusammen. Ich sehe ihm deutlich an, dass er stocksauer ist. Es gibt bestimmt nicht viele Mädchen, die ihm die kalte Schulter zeigen. »Okay, dann fahr ich dich.«
Wieder zu ihm ins Auto steigen? »Ich geh lieber zu Fuß.«
»Bis zu deinem Haus sind es drei Meilen.«
Ich stapfe zur Haustür. »Ich weiß, wie weit es ist.«
Cody folgt mir und greift nach meiner Hand. »Ich hab gesagt, ich fahr dich.«
»Nein!« Ich öffne die Haustür.
Er packt meine Schulter und dreht mich zu sich herum.
»Weißt du eigentlich, wie seltsam du dich benimmst?«, fragt er.
Ich stoße seine Hand weg. »Und du hast keine Ahnung, was für ein Vollidiot du bist.«
➜
Ich marschiere direkt am Highway entlang, dessen Seitenstreifen etwa eine halbe Meile lang relativ breit sind, ehe sie zusehends schmaler werden. Als sie so schmal geworden sind, dass ich nicht mehr neben der Fahrbahn gehen kann, überquere ich ein weites Feld mit hohen Gräsern. In der Ferne, hinter den Bahnschienen, erblicke ich den überwucherten Platz, auf dem früher während des Sommers Schausteller ihre Zelte aufschlugen.
Ich mache hohe Schritte, um zu verhindern, dass meine Fußgelenke ständig von spitzen Gräsern gestochen werden. Als ich die Bahnschienen erreiche, bücke ich mich, um mir ein paar Dornen aus den Socken zu ziehen. In unserer Kindheit sind Josh und ich mal mit dem Fahrrad hierhergefahren und haben Münzen auf die Schienen gelegt, damit der nächste Zug sie plattfährt. Doch nachdem wir eine Weile vergeblich auf den Zug gewartet haben, sind wir zum Rummelplatz weitergefahren, um dort nach verlorenen Schätzen zu suchen.
Jetzt befinde ich mich an der Stelle, an der früher das Riesenrad neben einem klapprigen Karussell stand. Dann gab es da noch einen Bonbonverkäufer und irgendein Spiel, bei dem man mit Wasserpistolen in die offenen Münder von Plastikclowns zielen konnte.
Während ich über das weitläufige Gelände schlendere, denke ich daran, wie ich seit unserer Entdeckung von Facebook immer wieder versucht habe, durch kleine Eingriffe in die Gegenwart meine Zukunft zu verbessern. Als ich bemerkte, dass Jordan Jones mich vermutlich betrügt, habe ich ihn abserviert. Kevin Storm hat meine Karriere vereitelt, also habe ich dafür gesorgt, dass wir niemals nach Ohio ziehen. Meine Zukunft änderte sich, doch ich blieb unglücklich.
Während der letzten fünf Tage habe ich zu verstehen versucht, warum das so ist und wie ich die Dinge beeinflussen könnte, damit sich das Blatt wendet. So langsam frage ich mich, ob mein persönliches Glück überhaupt etwas mit der Zukunft zu tun hat. Vielleicht hat es ausschließlich mit der Gegenwart zu tun.
Ich gehe um ein langes Brett herum, das von der Feuchtigkeit aufgequollen ist.
Abgesehen von Cody habe ich eigentlich eine Schwäche für nette Kerle. Graham hat zwar ständig an mir rumgefummelt, mich aber nie schlecht behandelt. Und Dylan ist wirklich einer der sympathischsten Jungs, die ich kenne. Neulich in der Bücherei hat er ein paar Bücher für seine neue Freundin ausgeliehen, weil …
Oh, mein Gott.
Er hat diese Bücher besorgt, weil er seine Freundin liebt . Für mich hat er so was nie getan, weil ich ihm gar keine Chance dazu gegeben habe. Ich habe ihm nie erzählt, was ich gern lese oder welche Filme mich zu Tränen rühren. Ich habe ihn auf Distanz gehalten, damit ich nicht verletzt werden konnte.
In Liebesdingen habe ich mich immer mit einer Schutzmauer umgeben. Und womöglich liegt darin das Problem. Indem ich heute jeder möglichen Verletzung aus dem Weg gehe, wird mein späterer Schmerz umso größer sein. Vielleicht werde ich mich auch meinen künftigen Ehemännern gegenüber so verschließen, dass sie nie eine Chance haben, zu erfahren, was mich wirklich glücklich macht. Oder ich heirate gleich einen bornierten Deppen wie Cody, und dann kann ich auf die Liebe lange warten.
Sobald ich den Rummelplatz überquert habe, betrete ich wieder den ramponierten Bürgersteig. Gräser wuchern aus den Ritzen, auf der Suche nach ein wenig Sonnenlicht. Bis nach Hause ist es noch ein gutes Stück, aber irgendwann werde ich schon ankommen.
➜
Das Erste, was ich erblicke, als ich die Küche betrete, ist ein Zettel auf der Theke.
Emma,
deine Mom und ich haben uns heute Abend mit Freunden zum Essen verabredet, aber ich würde dich gern morgen zu einem Eis einladen. Es tut mir leid, dich verärgert zu haben, weil ich in deinem Zimmer war. Ich
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