Wir beide nahmen die Muschel
den Wochen ein
einziges Mal geklagt hatte. Besonders nie, wenn ich etwas vorgeschlagen und
auch danach durchgeführt hatte, wo es eine leichtere Möglichkeit gegeben hätte.
Es gibt für mich keinen besseren Bergkameraden! Mit sehr müden Gliedern sind
wir in El Acebo angekommen. Der Ort liegt auf 1154 m Höhe und hat nur noch 35
Einwohner. Fast alle Häuser sind verfallen oder von den Bewohnern verlassen
worden. An einigen Häusern hat man die Eingangstüren und die Fensterrahmen mit
blauer Farbe gestrichen, dass es nicht ganz so trostlos aussieht. Wir bekamen in
der Pfarralbergue »Santiago Apostol« mit 24 Betten das Abendessen, die
Übernachtung und das Frühstück gegen eine Spende. Spaghetti gibt es heute und
dazu ein Glas Wasser, so sagte uns die Herbergsmutter. Die sehr einfache
Albergue wird von einem Ehepaar geführt und der einzige Luxus sind zwei
Steckdosen im Schlafraum. Leider sind die Betten nur 180 x 70 cm groß und haben
abwaschbare Plastiklaken. Da wir sowieso in unseren Schlafsäcken schlafen
werden, ist dies für uns kein Hindernis. Es gibt auch keine Getränke zu kaufen
und so muss ich trocken meinen Bericht schreiben. Innerhalb kürzester Zeit
erreichen mich zwei SMS von den Kindern meiner Mitpilgerin. Wie viele habe ich
in den sechs Wochen schon von ihnen und ihrer Oma bekommen? Die Tochter
schreibt mir, »Hallo Heinz, wir drei möchten dir heute ganz viel Kraft und
Vertrauen für den Tag wünschen und denke immer daran, nicht der besteht vor
Gott, welcher die meisten Kilometer geht.« So ein Mädel hätte ich gerne als
meine Tochter gehabt! Die nächste SMS war von meinem Sohn, das Finanzamt hatte
mir eine größere Summe zurückerstattet. Es war ein warmer Geldregen in meine
Pilgergeldbörse. Es gibt also nichts mit Spaghetti und Wasser, wir werden uns
heute Abend im Restaurant verwöhnen lassen, ich hoffe es jedenfalls. Viele
Pilger sind in der letzten Stunde in die Albergue gekommen und hatten nach
einer Übernachtung gefragt, leider war sie ausgebucht. Die nächste war eine
Stunde entfernt. Wir hatten heute großes Glück gehabt, unsere Knochen waren
ganz geblieben, aber morgen wird uns der gleiche schlechte Weg weiter nach
unten führen. Ich hatte bei unserer Ankunft eine unbenutzte Steckdose gefunden
und kann nun meine Kamera und mein Handy aufladen. Es ist nun fast achtzehn
Uhr, mein Bericht ist geschrieben und mir knurrt der Magen. Mal sehen, ob ich
meine Mitpilgerin überreden kann, einen Bummel mit mir durchs Dorf zu machen
und nach einem Restaurant Ausschau zu halten. In der Zwischenzeit sind
tiefschwarze Wolken über unser Dorf gezogen. Noch fliegen die Schwalben sehr
hoch, ein gutes Zeichen, dass es im Moment noch kein Unwetter geben wird.
Hoffentlich nicht morgen, wenn wir den Geröll weg gehen. Wir gingen los und
fanden in der Nähe ein ansprechendes Restaurant und reservierten zwei Plätze
für 19:00 Uhr. Leider durften wir den Speisesaal noch nicht betreten. Wir
setzten uns an die Bar und Helga hatte Glück und bekam eine köstliche Karaffe
Sangria und ich meinen Vino Tinto. Punkt 19:00 Uhr strömten alle in den Saal.
Ein Glück, das wir zwei Plätze hatten reservieren lassen. Heute zur Feier des
Tages sollte es nach meiner Steuerrückzahlung kein Pilgermenü für uns geben.
Die Küche hatte ein besseres Angebot für 15,00 Euro pro Person und wir haben es
genommen. Serviert wurde uns auf einer Platte Schweinebraten mit scharfer Paprika.
Es war ein sehr großes Fleischstück, fast so groß wie eine Grillhaxe. Dazu eine
Rindswurst mit Kichererbsen und Kartoffeln. Als Getränk einen großen Krug mit
sehr gutem Wein. Alle Pilger im Raum starrten neugierig zu uns herüber. Die
Fleischportionen waren für uns leider viel zu groß. Eine Tasse Kaffee und ein
scharfer Schnaps rundeten alles ab. Mit dem Ausgang des Abends waren wir sehr
zufrieden. Als wir das Lokal verließen hatte sich die Wetterlage nicht
verschlechtert und wir kamen trocken zurück. Unsere Bettruhe begann um 21:00
Uhr.
El Acebo —
Ponferrada
16 km, 45 m
Aufstieg, 620 m Abstieg
Donnerstag,
den 19. Mai 2011
N ach einer
ruhigen Nacht und einem dürftigen Frühstück gingen wir ausgeschlafen um 7:15
Uhr los. Nach 50 Meter hatten wir den Ort schon hinter uns gelassen.
Tiefschwarzen Wolken hingen über den mit Schnee bedeckten Bergen. Bevor wir
gingen, meinte der Hospitalero, es würde keinen Regen geben. Wie schön für uns,
wenn es auch so wird. 620 Meter mussten wir heute absteigen, es wird ein
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