Wir - die Unsterblichen
betont, und es gibt sogar Beweise dafür. Ganz abgesehen davon, daß bei einem solchen Erscheinen in der Vergangenheit jede Beeinflussung der späteren Gegenwart und Zukunft unmöglich wird. Es könnte also niemals ein Zeitparadoxon geben.«
»Das steht nicht fest«, meinte Williams, der Professor für Geschichte in New Mexico war und einen längeren Studienurlaub in Europa verlebte. »Ich bin sicher, daß Geister schon mehr als einmal den Lauf der Geschichte entscheidend beeinflußten – und Ihre Zeitreisenden, Forrest, dürften ja diese Geister sein, wenn ich Sie richtig verstanden habe.«
»Zum Teil, ja! Aber sie haben niemals ein Zeitparadoxon hervorgerufen!« Allein die Tatsache, daß ich in diesem Augenblick an die späte Nachtstunde dachte und meinen versäumten Schlaf bedauerte, war Zeitparadoxon genug. Immerhin debattierten wir über Jahrmillionen. »Ein körperloses Wesen hat keinen Einfluß auf materielle Dinge.«
»Deshalb ist es für sie auch so schwierig, über Holztische und Weingläser Verbindung mit uns aufzunehmen«, spottete Cabrius, dem jede spiritistische Betätigung ein Greuel war. »Ich frage mich nur, ob es sich bei Geistern um die Seelen Verstorbener oder um Ackerbuilds Zeitreisende handelt.«
»Um beides.« Manchmal konnte ich mich über die ewige Skepsis von Cabrius richtig ärgern, und ich fragte mich, warum er überhaupt noch zu unseren Abenden kam. »Wir wissen nichts, also können wir alles glauben.«
»Wissen Sie«, fragte Williams dazwischen, »daß kürzlich jemand Fernsehsendungen empfangen hat, die niemals ausgestrahlt wurden? Kein Sender der Welt hat sie je produziert. Merkwürdig, nicht wahr?«
Ich starrte ihn verwundert an.
»Das ist doch wohl ein Witz, Jack?«
»Durchaus nicht. Es handelt sich zwar um äußerst unscharfe Bilder ohne Ton, eine Handlung kristallisiert sich auch nicht heraus, aber die Gesichter waren ab und zu deutlich zu erkennen. Natürlich versuchte man, sie zu identifizieren, aber es handelte sich nicht um bekannte Schauspieler oder etwa Politiker. Soweit man feststellte, handelte es sich um Personen, die nicht existieren. Oder besser: die nicht mehr existieren.«
Wir sahen ihn alle erwartungsvoll an, ohne ein Wort zu sprechen. Wir fühlten, daß er noch nicht fertig war, und wie wir ihn kannten, würde der Clou der Geschichte noch kommen – den bewahrte er sich immer bis zum Schluß auf.
So war es auch diesmal.
»Wie gesagt, die Sendung wurde nie ausgestrahlt, sie schien auch ohne jeden Sinn zu sein. Es war, als versuchten die Menschen vor der Kamera dem Zuschauer etwas mitzuteilen, ihm etwas zu sagen, aber immer wieder wurden die lautlos Sprechenden von anderen weggedrängt, die anscheinend noch wichtigere Botschaften loswerden wollten. Die Gesichter wechselten in schneller Folge, aber die spätere Aufzeichnung erleichterte die Identifizierung. Drei der Gesichter konnten einwandfrei erkannt werden.«
Wieder legte Jack seine Spannungspause ein. Er schien darauf zu warten, daß man ihn fragte …
Ackerbuild tat ihm den Gefallen.
»Wer war es?«
»Haltet euch fest!« Jack war sichtlich erleichtert, daß die Aufforderung kam. »Eines der Gesichter gehörte einer Frau. Da es genügend Photos von ihr gibt, wurde sie gleich erkannt. Es war Madame Curie, geboren 1867 in Polen und 1934 gestorben in Frankreich.« Er sah uns der Reihe nach an, dann fuhr er fort: »Das zweite Gesicht gehörte einwandfrei Kaiser Vespasian, der im Ersten Jahrhundert nach Christi regierte und dessen Marmorbüste gut erhalten blieb. Und der dritte Teilnehmer der rätselhaften Fernsehsendung, der identifiziert werden konnte, war zweifellos Leonardo da Vinci, der 1519 starb. Sein Selbstporträt hat ihn verraten. Es nahmen also drei Menschen an dieser Sendung teil, die schon lange tot sind – an einer Sendung, die niemals produziert wurde. Nun, wie gefällt Ihnen das?«
Werner Cabrius sagte trocken:
»Überhaupt nicht! Ein übler Scherz, mehr nicht.«
»Anscheinend doch nicht«, widersprach Jack Williams sofort. »Sämtliche Aufzeichnungen der Sendung wurden beschlagnahmt und verschwanden spurlos in ungenannten Archiven. Der Vorfall wurde totgeschwiegen, und wenn doch die Sprache darauf kam, wurde er dementiert. Aber es sickerte eben doch einiges durch, und so erfuhr ich davon.«
»Was hat das, Ihrer Meinung nach, mit der Zeit zu tun?«
Es war Professor Dr. Iwan Koltow, der diese nüchterne Frage stellte. Meist saß er schweigsam in unserer Runde und hörte nur zu. Als
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