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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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Stadt auf, sich mit ihrer Unterschrift zum Molenbau zu verpflichten. Dreihundertneunundfünfzig Personen unterzeichneten, einige für freiwillige Arbeiten, andere für Steinfuhren, wieder andere spendeten einen Geldbetrag. Aber alle gaben etwas, mit Ausnahme von einem, der sich mit der beschämenden Begründung weigerte, dass man allein für sich selbst und nicht für die Nachwelt zu sorgen habe.
    «Seinen Namen werde ich aus Rücksicht auf seine noch lebenden Verwandten nicht nennen», erklärte Albert vom Rednerpult aus.
    Alle drehten sich um und schauten Kapitän Hans Peter Levinsen an, der hinterher zu den eifrigsten und generösesten Beiträgern des Gedenksteins gehörte, als hätte er nun, nach achtundachtzig Jahren, endlich eine Chance, seine Familie von der Schande reinzuwaschen.

    Albert sprach weiter über den Tag, den 28. Januar 1825, dem Geburtstag König Frederiks VII., an dem hundert Mann sich unter der Fahne der Einigkeit auf dem Eis versammelten, um das Riesenwerk in Angriff zu nehmen. Sogar die Natur hatte ihnen beigestanden. Wären nicht dieser und auch der nächste Winter Eiswinter gewesen, hätten sie die Steine niemals so verlegen können. Aber es gelang ihnen, und nun stand die Mole wie ein ewiges Zeichen dafür, was Menschenkraft durch Einigkeit und Ausdauer auszurichten vermochte.
    «Wenn ihr die Mole seht», sagte Albert und blickte über die Versammlung, «sind es Feldsteine, auf die eure Blicke fallen. Aber vergesst niemals, dass das eigentliche Baumaterial unbeugsamer Wille und kräftige Arme waren.»
    Er endete damit, die Anwesenden daran zu erinnern, dass der Wegbereiter Rasmus Jepsen mit dem Ehrenzeichen des Dannebrog-Ordens ausgezeichnet worden war. Seeleute sind, egal, wie ungebärdig und eigenwillig sie sonst auch sein mögen, von Natur aus königstreu und konservativ, und ein solcher Hinweis verfehlte seine Wirkung nicht. Und so brach zu diesem Zeitpunkt seiner Rede auch spontaner Beifall aus. Albert blieb einen Moment stehen und ließ sich als Initiator des Gedenksteins feiern, doch er wusste, dass er dieses Beifalls nicht würdig war, denn alles, was er in diesen hektischen Tagen voller Triumph unternommen hatte, gründete in einer unsicheren seelischen Befindlichkeit, in Erscheinungen, die aus dem gleichen flüchtigen Stoff wie Wolken bestanden.
     
    Am Morgen des 19. Juli kam der Bildhauer Johannes Simonsen mit dem Postdampfschiff aus Svendborg, um den Stein in Augenschein zu nehmen. Er erklärte ihn als ausgezeichnet geeignet für das Vorhaben, und fertigte verschiedene Skizzen an. Und bevor er wieder nach Svendborg zurückkehrte, hinterließ er eine Anweisung, den überwucherten Stein zu säubern. Dieser wurde mit Chlorkalk bestrichen und dann mit verdünnter Salzsäure und Wasser gereinigt. Für das Fundament grub man ein zwei Meter tiefes Loch und füllte es mit Beton auf. Anfang August wurden die Fassung und eine eiserne Umzäunung gegossen. Mitte August setzte man den Stein auf seinen Platz. An dieser Arbeit nahm Albert zusammen mit vielen anderen Mitgliedern des Komitees teil.

     
    Während sie noch mit dem Stein beschäftigt waren, liefen sechs Torpedoboote in den Hafen ein. Die Boote hatten geflaggt. Das Gleiche geschah nun auf den Schiffen im Hafen, und schon bald war der Kai schwarz vor Neugierigen. Es war das erste Mal, dass Kriegsschiffe den Hafen von Marstal anliefen. Das Komitee unterbrach die Arbeiten am Gedenkstein und ging hinunter zur Dampskibsbro, um die Schiffe in Augenschein zu nehmen.
     
    Am selben Abend wurde ein festliches Beisammensein für die Offiziere der Kriegsschiffe im Hotel Ærø arrangiert. Auch Albert nahm an dem Essen teil. Der Anblick der schlanken, stahlgrauen Schiffskörper an der Dampskibsbro hatte ihn merkwürdig unpässlich werden lassen. Er bekam einen Schwindelanfall, der ihn an das Unwohlsein erinnerte, das er bei seiner ersten Besichtigung des Gedenksteins in seiner Jolle südlich des Strandes gehabt hatte. Während des gesamten Abendessens war er merkwürdig abwesend, was von mehreren Anwesenden bemerkt wurde, die seine Zerstreutheit jedoch dem großen Druck zuschrieben, unter dem er im Moment stand, nun, da das Aufstellen des Gedenksteins seine entscheidende Phase erreicht hatte. Mehrfach schien ihm, als wäre die gesamte Gesellschaft draußen auf See an Tischen platziert, die direkt auf dem Wasser schwammen. Die Stühle, auf denen sie saßen, schaukelten mit der Bewegung der Wellen auf und nieder, und in den blaugrauen Tiefen

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