Wir Ertrunkenen
es einem Teppich
glich, auf dem wir den ganzen Weg bis hinüber nach Langeland hätten gehen können. Junge und alte Männer standen beieinander. Die jungen sprachen mit einer neuen Unbefangenheit. Sie hatten bisher lediglich ihre Zehenspitzen in das Weltmeer getaucht, fühlten sich aber bereits als voll befahrene Seeleute. Es herrschte Krieg, und sie hatten viel Geld in den Händen. In ihrer Mitte stand ein Fremder und bildete das Zentrum ihrer Aufmerksamkeit.
Herman stand auch dort, sagte diesmal allerdings kein Wort. Er starrte den Fremden unverwandt an, einen großen, kraftvollen Mann mit einem breitkrempigen Strohhut und einem hellen Sommermantel, der locker über seine breiten Schultern hing. Seine Lippen waren voll, und eine rotblonde Haarlocke hing ihm lässig in die Stirn. Wären da nicht die blutunterlaufenen Augen gewesen, hätte er ausgesehen wie ein Urlauber während seines Sommeraufenthalts in der Hafenstadt. Er lächelte ununterbrochen und breitete alle paar Sekunden die Arme aus, wobei sich seine Stimme vor Begeisterung hob. Er war sichtlich zufrieden mit der Aufmerksamkeit, die er bei seinen jungen Zuhörern genoss. Die älteren Skipper hatten sich an den Rand der Gruppe zurückgezogen, und es war nicht erkennbar, ob es an einem instinktiven Widerwillen gegen Herman lag oder daran, dass der Fremde eindeutig Hermans Verbündeter war. Ja, nicht nur seine Konstitution, sondern auch die großsprecherische Art erinnerte an ihn.
Herman hatte einen nie zuvor bei ihm gesehenen Gesichtsausdruck. Es war klar, dass er den Redner bewunderte. Seine Augen hingen nicht nur an dessen Lippen, seine eigenen Lippen begannen sich sogar zu bewegen, als würde er lautlos die Worte des Fremden nachsprechen und sich darauf vorbereiten, sie bei der ersten sich bietenden Gelegenheit zu wiederholen.
Eigentlich war es nicht Hermans Art, zu jemandem aufzusehen. Albert hatte ihn einst vor einer Schiffskollision bewahrt, doch statt Dankbarkeit zu zeigen, hatte die Episode in Herman nur feindselige Gefühle geweckt. Albert hatte ihm eine Ohrfeige verpasst, und Herman trug es ihm nach. Als er Albert sah, der seinen üblichen Abendspaziergang am Hafen unternahm, und ihn aufforderte, sich zu dem Kreis zu gesellen, geschah dies nicht in freundlicher Absicht.
«Guten Abend, Kapitän Madsen», sagte er höfliche, und wir wussten
sofort, dass seine Selbstbeherrschung ausschließlich an der Anwesenheit des Fremden lag.
«Darf ich Ihnen Ingenieur Henckel vorstellen.»
«Edvard Henckel.»
Der Fremde gab Albert mit einem breiten Lächeln die Hand. Albert hatte nie Hermans Blick an dem Tag vergessen, an dem er aufs Deck der De Tvende Søstre gesprungen war. Er hatte nicht erwartet, dass der Junge so auf ihn losgehen würde. Es war ein unüberlegter Schlag. Albert war es leichtgefallen, ihm auszuweichen, und es war nicht das erste Mal, dass er kurzen Prozess mit einem unfähigen Rudergänger machte, indem er ihm eine Ohrfeige gab. Der Junge konnte in Panik gehandelt haben. Doch sein Blick drückte eine rücksichtslose Wut aus, die Albert überzeugt hatte, dass Herman durchaus imstande war, einen Mord zu begehen. Es war etwas Hartes in ihm. Härte an sich stellte nichts Schlechtes dar. Und doch schien sich in Herman ein Kern zu befinden, der so tot war wie ein versteinerter Baum. Keine Triebe würden in ihm keimen und sein Leben in eine unerwartete Richtung lenken. Es gab keine Kraft zum Wachsen, nur diese Härte.
Albert wusste genau, dass dieser junge Mann ihn als seinen Feind ansah. Es war ein Gefühl, das er nicht erwiderte. Er empfand ein geradezu physisches Unbehagen in Hermans Nähe. Allerdings auch Mitleid. Vor allem aber fühlte er sich alt und resigniert. Er näherte sich dem prahlenden Herman mit dem gleichen Widerwillen, den man einem gefährlichen Tier entgegenbringt, das mit einer blutigen Pfote gefangen in einer Falle sitzt.
Er gab Ingenieur Henckel die Hand und widmete seine Aufmerksamkeit Herman.
«Ich höre, du hast die Tvende Søstre verkauft», sagte er. «Es war ein gutes Schiff, eine reine Freude fürs Auge, Zierde und Stolz der Stadt.»
Er ärgerte sich über den feierlichen Ton in seiner Stimme.
«Das mag schon sein», erwiderte Herman, «aber ich habe bei dem Verkauf gut verdient. Das ist das Entscheidende.»
«Ja, vielleicht für einen Geschäftsmann, aber nicht für einen Seemann. Da gibt’s doch noch mehr, was uns an unsere Schiffe bindet als nur die Aussicht auf kurzsichtigen Profit.»
«Hören Sie
Weitere Kostenlose Bücher