Wir Ertrunkenen
aber dennoch gute Fahrt. Gegen elf Uhr am Vormittag befahl der Kapitän Knud Erik, den Fockmast zu entern, um nach offenem Wasser Ausschau zu halten. Er kletterte ins Rigg, bis er die Bramsegelrah erreichte. Unter ihm waren die Segel steif gefroren. In Richtung Süden erstreckte sich das Eis bis zum Horizont. Die große glatte Fläche, die in der Sonne weiß glitzerte, bereitete ihm eine merkwürdige Übelkeit, die ihn auch unten auf Deck nicht wieder verließ.
Es gab Schmorbraten zum Abendessen, aber Knud Erik dachte an den Hackklotz des Schlachters und an den Sack, auf dem sich langsam große Blutflecken ausbreiteten. Er konnte nichts zu sich nehmen, wollte seinen Teller aber auch nicht unberührt stehen lassen. Er steckte sich ein Stück Fleisch in den Mund und spürte, wie es immer größer wurde und gegen den Gaumen drückte. Er rannte auf Deck und erbrach sich über der Reling.
Zwei Tage später zeigte sich im dichten Packeis offenes Wasser. Allerdings frischte der Wind immer mehr auf, und das Wasser geriet zunehmend in Bewegung. Die Temperaturen blieben weiterhin sehr niedrig, und die Kristina begann zu vereisen. Im Lauf der Nacht und des folgenden Tages wurde das Schiff von einem dicken Panzer aus Eis eingeschlossen. Das gesamte laufende Gut war ein eisiger Klumpen, das Schanzkleid bedeckte eine schräge Eismauer, und auf dem Großdeck lag einen Fuß dick das Eis. Der Bugspriet war bis zum Stampfstock ein kompakter Eisblock.
Durch das zusätzliche Gewicht von mehreren Tonnen lag das ohnehin vollbeladene Schiff noch tiefer im Wasser. Der Vordersteven tauchte bereits bedrohlich weit ein. Das Deck befand sich auf gleicher Höhe mit dem Meer auf der anderen Seite des vereisten Schanzkleids. Die Segel nahmen mehr und mehr die Form schwerer Bretter an, die aus unerfindlichen Gründen an den Masten hingen.
Alle hatten das Gefühl, sich an Bord eines riesigen Eisblocks aufzuhalten, mit dem ein Bildhauer verbissen kämpfte, um daraus die Form eines Schiffs zu hauen. Doch das Eis widersetzte sich. Es war widerspenstig
und vereitelte ständig die Absichten des Künstlers: Jede Form, die er schuf, strebte in ihre ursprüngliche Formlosigkeit zurück. Das Rigg, das Schanzkleid, der Bugspriet, alles, was ein Schiff ausmachte und half, das Meer zu besiegen, wollte nun wieder zu Vierecken und Geraden werden. Es gab nicht mehr länger Tauwerk oder hübsch geschwungenes Holz, sondern lediglich Klötze in den ungeschickten Händen eines Kindes. Es handelte sich nicht mehr um ein Schiff, nicht einmal um die Imitation eines solchen, sondern um ein Todesurteil, das die Unterschrift der Kälte trug. Die ungebetene Last des Eises nahm der Kristina den letzten Rest an Seetüchtigkeit und verwandelte sie in eine zum Sinken verurteilte Tonnage aus Eis und Klippfisch, der nur noch kurze Zeit beschieden war.
Das Schicksal der Besatzung hing vom Ausgang des Kampfes mit dem Eis ab. Sie wussten es, öffneten die Werkzeugkisten und nahmen sich jeder einen Schlägel. Dann rückten sie gegen das Eisschloss vor, das sich um sie herum auftürmte. Es klang so heiter, als das Eis vom Rigg und den Fallen sprang und an Deck zersplitterte. Das Deck jedoch widerstand all ihren Anstrengungen. Sie hämmerten, bis sie schwitzten und rote Köpfe bekamen, doch alles, was sie zustande brachten, war allenfalls ein Riss. Das Eis blieb, wo es war. Das Schanzkleid umschloss noch immer eine schräge Mauer, und in die Nähe des Bugspriets gelangten sie nicht einmal. Allein schon sich auf diesen gefrorenen Block hinauszuwagen war lebensgefährlich.
Anfangs hatten sie noch gute Laune und trieben Schabernack miteinander, dann verstummten sie. Schließlich hörten auch die Hammerschläge auf. Bager war der Erste, der innehielt. Er griff sich an die Brust und bekam glasige Augen, während er nach Luft schnappte. Ihm folgte Dreymann. Sie blieben erschöpft sitzen, eingeschlossen in die eigene Einsamkeit, als wären sie bereits zu einem Teil des Eisbergs geworden, der immer höher um sie herum anwuchs.
In Dreymanns Schnauzbart hingen Eiszapfen; er hatte Raureif in den Augenbrauen und unter den Nasenlöchern. Auf den Wangen von Rikard und Algot, auf denen einen Tag alte Bartstoppeln sprossen, breitete der Frost sich aus wie ein weißes Pulver, das ihre Gesichter gespenstisch blass erscheinen ließ.
Würden ihnen die Augenlider zusammenfrieren, so dass sie die Augen nicht mehr öffnen könnten? War das die letzte Gnade der Kälte, ein Tod, der ihnen die
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