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Wir Ertrunkenen

Wir Ertrunkenen

Titel: Wir Ertrunkenen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carsten Jensen
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selbstbewusst. «Ich bin schwarz. Ich bin einfach aus Dakar herausspaziert. Da war niemand, der versucht hat, mich aufzuhalten. Ich habe doch ausgesehen wie all die anderen Neger. Nach vielen Umwegen bin ich dann in Casablanca gelandet. Ich soll übrigens auch
von Kapitän Grønne grüßen. Es ist schon verrückt mit euch Marstalern. Ihr seid überall.»
    «Wie bist du weitergekommen?»
    «Tja, dafür kann ich dem Bier dankbar sein.»
    «Dem Bier?», fragte Helge und beugte sich interessiert vor. «Bist du etwa von Casablanca nach Gibraltar in einem Bierkasten gerudert?»
    «Nicht ganz», erwiderte Absalon, «aber fast. Viele versuchen abzuhauen, aber nur wenigen gelingt es. Die Franzosen passen ziemlich gut auf. Wir fanden am Fluss ein altes, vergammeltes Fischerboot, da schöpften sie überhaupt keinen Verdacht. Denn man musste schon ein Loch im Kopf haben, wenn man in einem solchen Seelenverkäufer in See stechen wollte. Das Problem war das Wasser. Wir brauchten auf der Überfahrt doch etwas zu trinken. Aber wir konnten ja nicht einfach mit einem ganzen Wasserfass durch die Stadt marschieren. Dann hätten sie doch sofort gewusst, was wir vorhatten. Grønne schenkte uns ein paar Kisten Bier. Die Franzosen lachten nur, als sie uns die Kisten schleppen sahen. Sie glaubten, wir machten einen Ausflug. Wir setzten den Mast und die Segel und brachen spät abends auf. Den ganzen Weg über mussten wir lenzen, der Kahn leckte wie eine Heringskiste. Nach vier Tagen erreichten wir Gibraltar. Das Boot sank uns unter den Füßen weg, als wir in den Hafen einliefen.»
    «Also im letzten Augenblick», sagte Knud Erik beeindruckt.
    «Ja.» Absalon nickte ernst. «Das kannst du wohl glauben, es war wirklich im letzten Augenblick. Wir hatten kein Bier mehr.»
     
    Als der nächste Mann am Ecktisch erschien, musterte Knud Erik ihn prüfend. Dann hob er eine Hand, als wollte er den anderen zum Schweigen bringen, noch bevor er überhaupt den Mund aufgemacht hatte.
    «Lass mich raten, wie du heißt. Svend, Knud oder Valdemar.»
    «Valdemar», sagte der Mann, ohne eine Miene zu verziehen.
    «Wie kann ein Chinamann Valdemar heißen?», fragte Helge und musterte den schlanken jungen Mann, der vor ihnen stand, von oben bis unten. Er war vielleicht zwanzig Jahre alt, konnte aber auch jünger sein. Er hatte die hohen Backenknochen der Asiaten und schmale Augenschlitze. Ein spöttisches Lächeln umspielte seine wohlgeformten Lippen. Er war hübsch, aber auf eine überraschend weiche, weibliche Art.

    «Ich bin kein Chinese», antwortete er in geduldigem Tonfall. «Meine Mutter stammt aus Siam, und mein Vater ist ein getaufter Jørgensen.»
    «Und du hast natürlich einen dänischen Pass», sagte Helmer inquisitorisch. Die Antwort des jungen Mannes hatte ihn unsicher werden lassen, nun wollte er seine Autorität wieder herstellen.
    «Hauptsache, du hast dein Seefahrtsbuch, dann ist alles in Ordnung», meinte Knud Erik schlichtend.
    In Valdemar Jørgensens dunklen Augen war ein hartes Glitzern getreten.
    «Ich wurde in Siam geboren», erwiderte er. «Ich habe einen siamesischen und einen dänischen Pass. Den dänischen Pass habe ich mir nicht ganz legal besorgt. Ich bin Mitglied der Seamen’s Union of the Pacific. Ist das gut genug für euch Burschen?»
    Er starrte sie kampfeslustig an.
    Knud Erik lachte.
    «Die Heuer ist dein, wenn du sie haben willst.»
    «Ich würde gern wissen, ob es nach Amerika geht.»
    «Frag die Engländer. Aber du solltest schon damit rechnen, dass wir in den Nordatlantik müssen.»
    «Ich kann euch nur einen guten Rat geben: Seht zu, dass ihr nicht eines dieser amerikanischen Mädchen heiratet.»
    «Was hast du denn gegen amerikanische Mädchen?»
    «Die machen alles mit, real hot. Aber dann wollen sie heiraten. Ich bin auf Schiffen gefahren, auf denen die Kerle mit ihren Eroberungen prahlten. Eheringe, Hochzeitsbilder, ewige Liebe – the works. Und dann gibt es plötzlich zwei, die entdecken, dass sie mit der gleichen Frau verheiratet sind. Ich werde euch sagen, wieso. Diese broads bekommen zehntausend Dollar Witwenrente, wenn ein Seemann im alliierten Kriegsdienst untergeht. Pain in the ass. You know what I mean?»
    « Sure do.»
    Knud Erik konnte sich das Lachen kaum verkneifen. Aber der Junge schien nichts zu bemerken.
    «Na ja, du bist nicht verheiratet, oder? Die armen Kerle, die schon etwas älter sind, fallen leichter auf solche Tricks herein. Take care, buddy!»
    Der Bursche hatte seine Augen tatsächlich

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