Wir Ertrunkenen
Bewegung und die Flying Scud kam rasch näher.
Das Großsegel und die Fock waren bereits von den geschickten Händen der Kanaken gesetzt, die Rettung schien in Reichweite, als ich eine Flut von Flüchen aus Jack Lewis’ Mund vernahm.
«Das musste jetzt auch noch … Zum Teufel in der Hölle!»
Ich dachte, eine Kugel hätte ausnahmsweise ihr Ziel verfehlt, als das Schweigen seines Gewehrs mich über die tatsächliche Ursache seiner Verzweiflung belehrte.
Er hatte keine Munition mehr.
Ich schaute auf. Er öffnete den Lederbeutel und begann ihn zu durchwühlen. Dann fischte er einen kleinen Gegenstand heraus und hielt ihn prüfend in das Licht. Die Sonne brach sich in ihm, und ich beobachtete, wie er die Farbe wechselte, von Weiß über Rosa und Lila bis hin zu Blau und zurück – bis er wieder weiß schimmerte, je nachdem, wie Jack Lewis ihn zwischen seinen Fingern drehte.
Es war eine Perle!
Ich kann sagen, es war die schönste Perle, die ich je gesehen habe. Ich hatte nicht viele gesehen, geschweige denn jemals eine in den Fingern gehalten, aber wunderschön war sie. Fasziniert starrte ich sie an. Es war eine Einladung zum Träumen, und trotz der schrecklichen Situation, in der wir uns befanden, nahm ich diese Einladung an und schien mich plötzlich an einem ganz anderen Ort als an Bord eines Boots aufzuhalten, das von blutrünstigen Eingeborenen, die mit kräftigen Paddelschlägen zügig aufholten, verfolgt wurde.
Jäh wurde ich von Jack Lewis aus meinem Tagtraum gerissen. «Pull, zum Teufel, Mann, pull!»
Die Riemen in der Hand hatte ich regungslos dagesessen und auf die Perle gestarrt. Nun sah ich, wie Jack Lewis den alten Vorderlader von der Schulter nahm und Pulver in den Lauf schüttete, bevor er die Perle folgen ließ und das Ganze sorgfältig mit dem Ladestock stopfte. Dann legte er die Büchse, die er seinen Talisman genannt hatte, an und zielte sorgfältig. Noch bevor der Knall verhallt war, fiel einer der Eingebornen hintenüber und verschwand im Wasser, als hätte ihn eine mächtige Hand gestoßen.
«Ich schicke dir eine Rechnung, du Teufel!», schrie Jack Lewis mit wutverzerrtem Gesicht.
Erneut lud er die Büchse. Seine Finger zitterten, als er eine weitere kostbare Perle im Lauf versenkte. Ich traute meinen Ohren nicht, als ich hörte, wie seinen zusammengekniffenen Lippen ein eigenartiger Laut entfuhr. Ich könnte schwören, dass es ein Schluchzen war. Dann knallte die Büchse noch einmal.
Den Kanaken vor mir durchfuhr ein Ruck. Ich dachte, er sei getroffen, aber es war nur sein Ruder, das einen Treffer nahe der Riemendolle abbekommen hatte, und als er wieder anzog, brach es mittendurch. Jetzt gab es nur noch mich am Ruder.
Von den Perlen, Jack Lewis’ Treffsicherheit und der Kraft meiner Arme hing unsere Rettung ab. Ich ruderte, bis ich das Gefühl hatte, meine Schultern würden sich aus den Gelenken drehen. Die Verzweiflung muss mir ungeahnte Kräfte verliehen haben, denn der Abstand zu unseren Verfolgern wurde wieder größer. Auch gab es nicht mehr so viele wie zuvor. Mit Kugeln und Perlen hatte Jack Lewis jeden zweiten Mann mit sicherer Hand aus dem Kanu geholt. Ihr Kriegsgeheul klang noch immer bedrohlich, doch es war ein kleinerer Chor, der unseren nahe bevorstehenden Tod besang.
Dann erreichten wir die Flying Scud. Ein Fallreep erwartete uns. Ich nahm den verwundeten Kanaken über die Schulter. Sein Gewicht spürte ich kaum. So enterte ich die Schiffsseite auf und schwang mich über die Bordwand, ohne an das Ziel zu denken, das ich in diesem Moment bot. Hinter uns waren mehrere Schüsse zu hören, aber niemand wurde getroffen.
Die Kanaken hatten alles klargemacht. Der Anker hing am Vordersteven, die Segel waren gesetzt, und hätten sie Zugang zur Kajüte des Kapitäns und seinem Waffenschrank gehabt, wären bestimmt auch die Gewehre geladen gewesen, damit er ohne Unterbrechung mit dem Erschießen unserer Verfolger fortfahren konnte. Doch die Gewehre waren ein Tabu.
Kaum standen wir an Deck, lief Jack Lewis in seine Kajüte. Einen Augenblick später kehrte er mit einer Schachtel Patronen und einem neuen Gewehr zurück. Er kniete sich hinter die Bordwand und setzte seine Schießerei mit einem Gesichtsausdruck fort, als ginge es nun nicht mehr darum, einen gefährlichen Verfolger unschädlich zu machen. Es gab eine persönliche Rechnung, die bezahlt werden musste. Für jede kostbare
Perle, die er verloren hatte, mussten die Eingeborenen nicht nur mit einem Leben bezahlen,
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