Wir Ertrunkenen
in der Hand. Ich konnte seiner Miene ansehen, dass er mit unserer überstürzten Flucht eher die Rettung des Beutels als unseres Lebens beabsichtigte. Was auch immer er in den Händen hielt, er hatte seinen vergrabenen Schatz gefunden.
Das Boot befand sich bereits im Wasser. Ich musste bis zu den Schenkeln hinauswaten, bevor ich mich an Bord ziehen konnte. Die Kanaken fingen sofort an zu rudern. Jack Lewis stand mit dem Gewehr in der Hand mitten im Boot. Er zielte aufs Land, dort ertönte ein donnernder Knall. Ich drehte mich um und schaute zurück auf den Strand.
Am Ufer wimmelte es plötzlich von Eingeborenen. Einige trugen Gewehre und antworteten mit einer ganzen Salve. Die Kugeln schlugen um uns herum im Wasser ein. Jack Lewis schoss zurück, und ich stellte fest, dass er ein guter Schütze war. Einer der Eingeborenen lag bereits ausgestreckt im Sand. Nun fiel der nächste.
«Ha», sagt er verächtlich, «zum Glück sind diese Teufel nicht in der Lage zu zielen.»
«Ich dachte, du hast gesagt, die Insel sei unbewohnt.»
«Ich habe nie gesagt, die Insel sei unbewohnt. Ich habe gesagt, dort wohnen keine Menschen. Nenn diese Teufel noch einmal Menschen, und ich befehle dir, ins Wasser zu springen. Dann kannst du dich deinen Artgenossen anschließen, wenn du willst.»
Er sah mich mit einem grimmigen Lächeln an und schoss dann noch einmal. Ein weiterer Eingeborener fiel, doch der Rest setzte unbeeindruckt die Schießerei fort.
«Na, und was wird jetzt?»
Ich schüttelte den Kopf.
«Ich glaube, ich bleibe hier.»
Ich verstand nichts von dem, was ich sah. Wer waren diese Eingeborenen, und wieso schossen sie auf uns? Die freien Männer aus unserem Laderaum konnten es nicht sein. Wo sollten sie Gewehre herbekommen haben? Und die Kalebassen und seltsamen kleinen Steine, die Jack Lewis’ Maske vor Glück hatten rissig werden lassen? Was für eine Bedeutung besaßen sie? Einen Handel hatte er es genannt, aber offenbar ein Handel, der fehlgeschlagen war?
Nein, ich verstand nichts. Ich wusste nur, dass mein Herz schlug, wie
es noch nie geschlagen hatte, und dass mir diese Minuten im Kugelhagel, in denen ich zur Untätigkeit gezwungen war, weil es nicht mehr Riemen im Boot gab als diejenigen, die die Kanaken bereits in den Händen hielten, wie Stunden oder Tage vorkamen.
Die Flying Scud, die wohl ein paar Kabellängen vom Strand entfernt lag, schien nicht näher zu kommen. Glücklicherweise hatten die beiden Kanaken, die auf dem Schiff geblieben waren, gesehen, in welcher Gefahr wir uns befanden, und fingen an, den Anker zu lichten. Aber deshalb wurde die Gefahr für unser Leben nicht geringer. Eine zweite Gruppe Eingeborener hatte ein langes Kanu über den Strand gezogen und zu Wasser gelassen, nicht weit von der Stelle, von der aus die erste Gruppe uns weiterhin unter starken Beschuss nahm, obwohl Jack Lewis’ treffsichere Antworten ihre ursprüngliche Anzahl bereits um die Hälfte reduziert hatte und der Strand von Leichen übersät war.
Das Kanu holte rasch auf. Jeder zweite Mann paddelte, während der Rest aufrecht im Kanu stand und schoss. Jack Lewis musste seine Aufmerksamkeit auf zwei Ziele gleichzeitig richten. Als Abschiedsgruß schickte er einen letzten Schuss an den Strand, und ein weiterer Eingeborener sank zu Boden. Dann konzentrierte er sich auf das Kanu, und ich sah ein erstes Besatzungsmitglied seitwärts ins Wasser stürzen, als unser eigenes Boot plötzlich langsamer wurde.
Bisher hatte ich dieses fürchterliche Schauspiel, das sich vor meinen Augen abspielte, in stillem Entsetzen verfolgt. Ich war lediglich ein Zuschauer, und doch wusste ich, dass das Ende dieses Stücks nirgendwo geschrieben stand und es mich, sollte mir das Schicksal ungnädig sein, am Ende das Leben kosten könnte. Jetzt bekam ich plötzlich die Gelegenheit, selbst mitzuspielen, denn einer der Kanaken sank mit einem Schmerzensschrei über dem Ruder zusammen. Er war an der Schulter getroffen. Ich schubste ihn von der Bank, hinunter auf den Boden des Boots, wo er liegen blieb und sich die verletzte Schulter hielt, aus der Blut quoll, das auf seiner dunklen Haut nur als glänzender Strom zu erkennen war.
Ich ruderte, wie ich noch nie zuvor gerudert hatte. All meine düsteren Gedanken verschwanden sofort, als meine Hände endlich etwas zu tun bekamen, und ich spürte, dass ich wieder Einfluss auf mein eigenes Schicksal nehmen konnte. Die Zeit, die einen Augenblick stehen geblieben
zu sein schien, setzte sich wieder in
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