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Wir haben gar kein Auto...

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Titel: Wir haben gar kein Auto... Kostenlos Bücher Online Lesen
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Esskastanienbäume sowie große Kirschbaumplantagen säumen den Weg, und ich bekomme einen solchen
gusto
auf das Obst, dass ich anhalte und für uns beide jeweils einen auf dem Boden liegenden Apfel klaue. Aber dafür werde ich sofort bestraft, denn beim Aufheben der Äpfel, was mit Hexenschuss eh schon ein Kunststück ist, sticht mich eine Biene ins Bein. Ja, ja, die kleinen Sünden straft der liebe Gott sofort. Die Äpfel jedoch schmecken genauso gut, wie sie aussehen, und im weiteren Verlauf unserer Vinschgaufahrt mache ich einige Kinder glücklich, die in Körbchen am Wegesrand ihre Köstlichkeiten für wenige Cents anbieten. Die Pflaumen und Äpfel gären fröhlich in uns, und den Wind, den wir noch vor kurzem vor uns hatten, lassen wir jetzt hinter uns.
    Seit dem Reschensee kreuzen sich unsere Wege immer wieder mit vier fröhlichen, mittelalterlichen Holländern, die genau wie wir mit vollgepackten Rädern unterwegs sind. Mountainbikes natürlich, die sind ja nicht doof. Als wir uns zum dritten Mal begegnen, ich wälze gerade wieder mal meinen Routenplan und überlege, ob es rechtsherum oder linksherum geht, da zischen die vier an uns vorbei und rufen: »Hallo, hallo Froinde, beim näccchhhschten Mal trinken wirrr einen Capputschino!«
    Aha, wie meinen die das denn?
    Die Dörfchen, durch die wir fahren, sind allerliebst, jedes Mal steht auch eine alte Raubritterburg auf einem der umliegenden Hügel, und ich will jetzt unbedingt eine südtirolerische Brotzeit in einem der nächsten Gasthöfe machen, an denen wir vorbeikommen. In Mals oder eben Malles Venosta fallen wir in den Goldenen Adler ein, die Hirschen haben wir scheinbar hinter uns gelassen! Ein Superrestaurant, wie sich herausstellt, mit ein paar zauberhaften Zimmerchen, nur leider ist es erst früher Nachmittag, und wir wollen schon noch einige Kilometer weiterkommen.
    Â»Ich muss jetzt einen Blauburgunder trinken und eine Speckknödelsuppe essen«, verkünde ich Bruno gierig.
    Der ist über den nachmittäglichen Alkoholgenuss erstaunt, und nach einer Anstandsminute tut er so, als ob er mich schließlich nicht alleine trinken lassen könne, und bestellt ebenfalls ein Glas zu seiner Frittatensuppe. Der Wirt ist reizend und redselig.
    So erfahren wir zum Beispiel, dass das nächste Dörfchen Glurns oder Glorenza zwar die kleinste Stadt Südtirols ist, aber im dreizehnten Jahrhundert eine ganz wichtige Rolle gespielt hat. Dort waren die Revoluzzer zu Hause, die sich gegen die Fürstbischöfe aus Chur zur Wehr gesetzt haben. Klar ging es mal wieder um Macht und Reichtum. Das Dorf besaß nämlich das Stapelrecht für das Salz. Glurns wurde bald so einflussreich, dass man aus dem Dorf eine Stadt machte, was angesichts der achthundertfünfzig Einwohner von heute recht skurril wirkt. Aber hübsch ist dieses Städtchen, überhaupt ist das Vinschgau unbedingt eine Radlreise wert.
Gemütlich ist unsere Pause, und eigentlich hätten wir enorm Lust, hier zu versacken, Bruno fragt so nebenbei, ob denn überhaupt ein Zimmer frei sei. Das Schicksal hatentschieden, wir sollen weiterradeln, denn der Adler ist ausgebucht. Dann brauchen wir jetzt einen starken Espresso, mein Italiener natürlich
corretto,
also mit Mistral oder Anis.
    Unsere Via, die hier auch Etschweg heißt, ist eine super Strecke. Es geht bergab, und wir sind einfach nur glücklich, wenn wir die schnaufenden und sich abstrampelnden entgegenkommenden Radler sehen. Eins ist uns klar, von Meran nach München wollen wir nie radeln. Hui geht’s durch Schluderns, vorbei am Stilfserjoch, wieder an den besten Äpfeln vorbei, und schon lassen wir die Tschenglsburg rechts liegen und sausen geradewegs auf Laas zu.
    Ich möchte Sie ja nicht langweilen, aber Lasa/Laas spielt im Leben meiner Familie eine bedeutende Rolle, deshalb möchte ich auch Bruno in diesem für mich so geschichtsträchtigen Ort die Stelle zeigen, wo mein Großvater sich einst eingebracht hat. Schon heute Vormittag habe ich einen gewissen Dr. Telfers aus Laas angerufen und unsere Ankunft am Nachmittag angekündigt. Er hat ein Buch über den Laaser Marmorbruch und dessen Geschichte geschrieben und darin meinen Großvater erwähnt, der vor dem Zweiten Weltkrieg als Bergbauingenieur den Weißmarmorbruch übernommen und erweitert hat, dessen guter Ruf auf diese Zeit zurückgeht. Der Laaser Marmor ist der

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