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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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mal ab«, sagt Marie. Im Hintergrund zischt es. Wie um das Thema zu beenden, hat Marie den Inhalt des riesigen Beutels mit Totem-Meer-Salz in die Wanne gekippt.
    Routiniert geht Anna zum nächsten Tagespunkt über. »Was machen die anderen Fronten? How is work?«, fragt sie gedehnt, sie sagt »Wööö-aak«.
    »Was isst du?«, fragt Marie Anna beiläufig und setzt, ohne die Antwort abzuwarten, zu einem langen Monolog über ihre neue Kollegin an.
    *
    Wie immer wartet Herr G. am Anfang einer Sitzung einen Moment lang ab, bevor er zu sprechen beginnt. Langsam reibt er sich die Hände. Seit es draußen kälter geworden ist, trägt er jetzt jedes Mal dieselbe braune Cordhose, wie Bastian heute zum ersten Mal auffällt.
    »Wie war Ihre Woche?«, fragt Herr G. ihn.
    »Joa«, antwortet Bastian mit gelangweilter Stimme. Er seufzt. Er hat heute irgendwie überhaupt keine Lust zu reden. »So wie immer«, murmelt er. »Nix Neues. Gar nix Neues eigentlich … Ich hab ’ne grobe Struktur für die Hausarbeit erarbeitet. Sonst alles wie immer.«
    Herr G. nickt.
    Bastian schweigt. Er beginnt, mit den ausgefransten Verschlüssen der zwei Festivalbändchen an seinem Handgelenk zu spielen. »Bille hat gesagt, ich soll jetzt endlich mal in die Puschen kommen, sonst geht sie nicht mehr mit mir feiern«, murmelt er nach einer langen Pause. Er zuckt mit den Schultern, »Fand sie scheinbar lustig, mich so aus Spaß zu erpressen. Ich fand’s ehrlich gesagt ’n bisschen überflüssig von ihr.« Bastian schüttelt unmerklich den Kopf. »Ich misch mich ja schließlich auch nicht in ihr Leben ein.«
    Er blickt auf. Herr G. notiert sich etwas. Vergeblich versucht Bastian an den Bewegungen des Stiftes zu erkennen, was er schreibt. Er fühlt sich wie eine Laborratte. Seit der ersten Sitzung war er eigentlich ganz gerne zu Herrn G. gekommen. Heute würde er am liebsten sofort wieder gehen. Und nie wieder kommen.
    »Vielleicht brauchten Bille und ich einfach nur mal wieder ’n Tag Pause voneinander«, murmelt er unwillig. »Das ist dann immer so ’n Zeichen dafür, wenn die anfängt, so rumzuzicken.«
    Herr G. lehnt sich interessiert vor.
    »Sie hören sich sonst also jeden Tag?«, bohrt er.
    Bastian merkt, wie er langsam so richtig genervt wird. Er nickt.
    »Passt doch bestimmt mal wieder schön in mein Krankheitsbild, oder?«, antwortet er auf Herrn G.s Frage und hält trotzig den Blickkontakt mit ihm.
    Bastian kennt Bille jetzt schon fünf Jahre. Sie hatten sich in der Orientierungswoche an der Uni kennengelernt, am ersten Morgen in der Vorstellungsrunde hatte Bastian sich neben sie gesetzt, was sie zu Partnern in einem dieser dämlichen Pädagogen-Kennlernspielchen machte, bei denen man sich gegenseitig vor der Gruppe vorstellen muss.
    Bille sei eine Woche zuvor ihrer Heimatstadt, einem kleinen Nest, entflohen, hatte Bastian ihre Unterhaltung resümiert, als ihm als Zeichen, dass er jetzt dran war, das kleine Stoffsäckchen zugeworfen worden war. Bille wolle an ihre Ausbildung noch ein Studium in der Großstadt hängen, damit ihr Leben nicht für immer innerhalb der langweiligen Bahnen der Vorhersehbarkeit verliefe, hatte Bastian seine Präsentation abgeschlossen und ihr augenrollend den Ball zugeworfen. Sebastian habe gerade zum zweiten Mal sein Studienfach gewechselt, einfach, weil er keinen Bock mehr auf das alte hatte, fasste Bille ihn in einem Satz zusammen. »Genau so ist es«, hatte Bastian gesagt und sich, während die anderen weiterspielten, von Bille Papier zum Herumkritzeln und in der Pause Kippen und Geld für Kaffee von ihr geliehen.
    Erst später, abends, hatten sie dann das erste Mal richtig miteinander gesprochen. Es brauchte aber sowieso kaum Worte. »Yes!«, hatte Bille gegrölt, als sie mit Bastian beim Kickern im verqualmten Seminarraum, in dem die Ersti-Party stieg, gewonnen hatte. »Komm her, Kommilitone«, hatte sie gelacht und mit ihm eingeschlagen. »Jetzt machen wir die so richtig platt.«
    Spätestens als sie auch die nächsten drei Runden gewonnen und jeden neuen Sieg mit zwei Jägermeistern an der Bar begossen hatten, war klar gewesen, dass Bastian und Bille ab jetzt durch dick und dünn gehen würden. Es war klar, dass sie sich ab jetzt jeden Tag hören würden.
    *
    Die besten Menschen der Welt leben auf Inseln. Zumindest erscheint es uns so. Denn sobald wir sie treffen, fühlt es sich jedes Mal so an, als würden wir nach Ewigkeiten des Schwimmens endlich wieder festen Boden unter den Füßen haben. Als

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