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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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wir gar nicht viel mehr tun, als ein paar Worte auszusprechen. Worte, die das Ende vorbereiten. In denen es um nicht mehr fliegende Schmetterlinge geht, um die von rosarot auf grau zurückgestellte Welt, ums Grübeln, ums Hinterfragen, um gedrehte Gefühle, fehlende Anziehungskraft, ums Auseinanderleben, Sich-fremd-fühlen, ums Nicht-mehr-stimmen, um das Interesse an Dritten oder am unüberkommenen Ex, um das Fehlen des eigenen Raums. Darum, dass es nicht am anderen, sondern nur an uns selbst liegt. Dass wir uns erst mal selbst klarkriegen müssen, bevor wir eine ernsthafte Beziehung eingehen können. Dass es uns leidtäte, dass wir das nicht schon viel früher gecheckt hätten. Aber dass wir uns nun, da wir es wüssten, eben erst einmal selbst finden müssen. Und dass wir dafür natürlich leider ab jetzt und auf unbestimmt alleine sein müssen.
    Wir wissen: Keiner würde uns diese Worte übelnehmen. Alle würden unsere Entscheidung akzeptieren. Denn dass es auf Wunder eine Garantie gäbe, hat schließlich nie jemand behauptet.
    *
    Bille brettert über die Landstraße. Bastian und sie sind auf dem Weg zurück in die Stadt.
    »Ich fand es ja eigentlich ganz süß, was der Pastor meinte gestern«, sagt Bille. Ihr waren beim Ja-Wort in der Kirche ganz plötzlich vor Rührung die Tränen in die Augen geschossen. Niemand hatte es bemerkt. Bastian hatte während der Trauung draußen gewartet und geraucht. Und alle anderen hatten wie gebannt auf das Brautpaar geschaut.
    Bastian schnaubt verächtlich. »Mann, Bille, der Typ hat noch nie mit einer Frau geschlafen! Was soll der schon von Beziehungen, geschweige denn von der Ehe verstehen?« Bastian schnürt seine Wanderschuhe umständlich auf dem Beifahrersitz wieder auf.
    »Aber seine Tipps waren doch gar nicht sooo blöd …«
    Der Pastor hatte dem Brautpaar nach der Zeremonie ein Hasenkuscheltier geschenkt. Mit großen Ohren, damit sie niemals vergessen würden, einander gut zuzuhören. Und einen Besen. Um die Scherben nach jedem Streit wieder gut wegzukehren, damit sie die Beziehung nicht auf Dauer belasteten.
    »Doch, Bille«, sagt Bastian, »das waren sie. Sie waren sogar krass dämlich.«
    Draußen rauscht die Landschaft vorbei. Bastian streckt sich. Er gähnt laut. »Haben wir hier eigentlich noch irgendwo ’ne Flasche Mate?«, fragt er. Bille antwortet nicht. »Cause I got too much love«, singt das Radio, «running through my veins, going to waste.« Bille schaltet es aus.
    Sie spricht den ganzen Weg zurück in die Stadt kein Wort mehr.
    *
    »Ob ich mich einsam fühle? Hm.«
    Anna überlegt. Sie denkt an nachher. Es ist Freitag. Nach der Sitzung bei Herrn G. muss sie wieder die Grundsatzentscheidung für den Abend treffen. Platt oder partywütig. Aufraffen ja oder nein. Beine rasieren ja oder nein. Jogginghose oder Kleid. Kaputt von der Woche ins Bett oder wach und gut gelaunt auf die Straße. Die Rund- SMS »Geht ihr nachher noch los?« oder »Ich mach heute ’n Ruhigen«.
    Wenn Anna Lust hat, geht sie gerne tanzen. Sie ist dann ganz vorne dabei, sie sprüht vor Energie. Aber erzwungen geht es meistens nach hinten los.
    Und heute wäre es erzwungen. »Mädelsabend«, hatte Marie angekündigt. Anna kann solche verkrampften Abende auf den Tod nicht ab. Und findet sich am Ende dann doch jedes Mal in irgendeiner verrauchten, trendigen Bar, in irgendeinem stickigen, flashigen Club wieder. Wo sie dann inmitten anderer pseudo-lässiger Leute steht, die sich am Rande der Tanzfläche an ihren Beck’s-Flaschen festklammern. So lange, bis sie irgendwann endlich betrunken genug sind, um ein bisschen mit dem Kopf zu wippen. Anna kann die Art nicht ab, wie alle sich dort gegenseitig beäugen. Sie kann sich selbst nicht ab, wie sie dann trotzdem so lange da bleibt, bis es irgendwann spät genug ist, um wieder nach Hause zu huschen. Dann, wenn sie eingesehen hat, dass sie heute wie all die anderen, die inmitten der coolen Partymacher eigentlich danach gesucht haben, auch dieses Mal doch wieder nicht ihren Seelenverwandten gefunden hat.
    Nichts findet Anna schlimmer als das leere, urban-selbstentfremdete, schneidende Einsamkeitsgefühl, das sie auf dem Heimweg jedes Mal überkommt, wenn sie um halb vier zwischen den Besoffenen im kalten S-Bahn-Schacht steht und vor Müdigkeit frierend auf die Minutenanzeige starrt.
     
    »Sie müssen meine Frage natürlich auch nicht beantworten«, sagt Herr G.
    »Doch«, nickt Anna. »Doch. Ja. Ich glaube, ich fühle mich sogar ziemlich oft

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