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Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
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könnten wir uns von einer Phase des Abstrampelns in den Weiten eines notorisch unruhigen Meeres erholen. Als würden uns alle Stürme der Risiken, alle Tsunamis der Unsicherheit, die dort draußen wüten, dann plötzlich nicht mehr erreichen können.
    Und mehr noch. Auf den Inseln geschieht zuweilen sogar das Wundersamste überhaupt: Unsere Zweifelmonster geben endlich einmal kurz Ruhe. Auf unserer Insel scheinen wir für einen kleinen Moment immun gegen sie zu sein, ausnahmsweise beißen sie sich dort an uns ihre kleinen Zähnchen aus. So lange, bis sie aufgeben und sich zusammen mit ihren sonst so erfolgreichen Helfern, den permanenten Fragen danach, ob wir uns gerade in diesem Moment wirklich am richtigen Ort zur richtigen Zeit mit dem richtigen Menschen befinden, in Luft auflösen.
    Denn auf unseren Inseln prallt der Gedanke, ob es vielleicht doch irgendwo anders vielleicht noch bessere beste Freunde geben könnte, einfach an uns ab. Weil wir dort zur Abwechslung einmal tatsächlich
wissen
, dass es keine besseren gibt. Weil wir uns dort, ruhig in unseren Hängematten schaukelnd, tatsächlich einmal todsicher sind, uns genau da zu befinden, wo wir die ganze Zeit sein wollen: am
richtigen
Platz.
    *
    »Wie würden Sie denn selber Ihre Beziehung zu Sibylle definieren?«, fragt HerrG. Bastian geduldig.
    Bastian findet diese Frage absurd. Er fühlt sich mittlerweile wie in einem völlig sinnfreien Verhör gefangen. Sein Blick wandert auf die Uhr. Noch dreiundvierzig Minuten.
    »Gut. O.K.«, sagt er so sachlich wie möglich. Es ist einfach eine Scheißsitzung heute. »Also: Bille ist meine beste Freundin. Mein bester Kumpel. Jemand, auf den ich mich verlassen kann. Der immer da ist. Jemand, der mich nicht nervt.« Bastian wirft Herrn G. einen provozierenden Blick zu, »Jemand, der mir nicht andauernd blöde Fragen stellt.«
    Herr G. nickt.
    Bastian hat diese Besessenheit, alle Beziehungen immer gleich definieren zu wollen, noch nie verstanden. Sein Therapeut ist ja nicht der Einzige. Seine Ex-Freundinnen, Michi, die Kolleginnen von Bille, seine Mutter, sogar sein verdammter Nachbar – alle sind sie diesem behämmerten Definierwahn verfallen. Alle wollen sie wissen, was das mit Bille und ihm ist. Dabei ist es nichts. Was ihn mit Bille verbindet, ist
nichts
. Außer einer dicken Freundschaft.
    Herr G. sieht Bastian immer noch fragend an.
    »Keine Ahnung, Mann«, braust Bastian auf. »Wenn Sie es noch genauer wissen wollen, fragen Sie Bille doch selber. Zwischen uns ist alles gut. Warum wären wir denn sonst immer noch befreundet?«
    Herr G. schweigt. Bastian auch. Er starrt auf den Sekundenzeiger. Er ist wütend. Noch zweiundvierzig Minuten.
    *
    »Anna, sorry, ich weiß, dass du gleich deine Mutter anrufen musst«, ruft Marie ihr hektisch ins Ohr. »Aber ich muss mich hier nur noch mal ganz kurz aufregen! Hast du schon Meikes Veranstaltungseinladung gesehen? Ich find die ja
so
peinlich! Die ist ja wohl so
krass peinlich

    »Moment, Moment«, Anna wischt sich die Hände an der Hose ab. Sie hat gerade Salat gewaschen, mit dem Handgelenk tippt sie auf ihrem offen stehenden Computer auf die Tastatur, damit er aus dem Standbymodus erwacht. Sie muss gar nichts weiter aufrufen, Facebook ist sowieso ihre Startseite bei Safari. Mit dem gebogenen Handrücken klickt Anna auf den Newsfeed-Button. »Ach Gott, ja, ich seh’s …«, sagt sie.
    »Schlimm, oder?!«, erbost sich Marie. »Das ist doch echt
schlimm!
Oder?!«
    *
    Leider kann kein Mensch ewig in der Hängematte liegen bleiben. Auch wir nicht. Irgendwann müssen auch wir unsere Inseln wieder verlassen und uns zurück ins Wasser trauen. Und dort herrschen andere Regeln.
    Schon ein kleines Stück weit vom Strand entfernt kann das Wasser nämlich ziemlich schnell ziemlich kühl werden. Zwar tummeln sich dort viele schöne bunte Gestalten, die in den schimmernden Spiegeleffekten der Sonne tanzen. Und es bringt auch total viel Spaß, uns dort zwischen den anderen herumtreiben zu lassen, bis auch uns ganz viele glitzernde Sandkörner umtanzen. Doch es gibt dort auch eiskalte Strömungen. Die uns jederzeit erwischen können. Und gegen die uns dann, so wissen wir, auch unsere Insel, obwohl sie die ganze Zeit noch in Sichtweite ist, nicht mehr viel helfen kann.
    Denn dort, auf dem Meer, hört das sichere Zuhause unserer besten Freunde auf. Und es beginnt unser sogenanntes Netzwerk. Wo genau es anfängt, ist nicht immer ganz klar. Und wo es aufhört, schon gar nicht. Die

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