Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben keine Angst

Wir haben keine Angst

Titel: Wir haben keine Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pauer Nina
Vom Netzwerk:
zuckte mit den Achseln. »Weiß auch nicht«, sagte sie. Plötzlich war sie todmüde. Am liebsten wäre sie einfach in Ulrikes Arm geblieben.
    »Du siehst ja ganz blass aus, Mäuschen, stimmt etwas nicht?«, fragte Ulrike. Ihr Gesicht verzog sich sorgenvoll. »Ist alles in Ordnung?«
    »Ulla, jetzt lass das Linchen doch erst mal ankommen«, unterbrach Wolfgang seine Frau.
    Anna schaute von ihrem Vater zu ihrer Mutter und zurück. Beide blickten sie besorgt mit großen Augen an. Ihr Hals schnürte sich zu. Ohne dass sie es hätte kontrollieren können, rollten ihr die Tränen über die Wangen.
    »Oje, Süße, jetzt komm mal her.« Ulrike nahm Anna fest in den Arm. »Was ist denn bloß los?«, murmelte sie mit vor Sorge getränkter Stimme in Annas Haare.
    »Komm, wir setzen uns jetzt erst mal hier auf die Bank«, sagte Wolfgang leise, er zog Ulrike am Mantel und reichte Anna ein Taschentuch. Zu dritt setzten sie sich auf die Parkbank vor den Bäumen neben dem Kino. Die Dunkelheit machte sie angenehm unsichtbar vor den Menschen in der sich langsam formierenden Warteschlange.
    »Ist es was Bestimmtes? Was ist denn bloß, Linchen?«, fragte Ulrike noch einmal und begann, Anna über die Haare zu streicheln. Wolfgang saß auf der anderen Seite und schwieg.
    »Nein, Mama«, sagte Anna schwach und tupfte sich die Tränen aus den Augen. Aber es kamen immer neue nach. »Weißt du, ich hab einfach kaum geschlafen …« Ihre Stimme brach erneut, sie japste nach Luft.
    »Aber wieso denn nicht?«, unterbrach Ulrike sie in hektischer Beunruhigung.
    Anna sah ihre Mutter ungläubig an. »
Wieso
ich nicht schlafen kann?«, sie schüttelte voller Unverständnis den Kopf, »Mama, weil ich einfach
keine
ruhige Minute habe! Und das nicht nur heute, sondern
seit Wochen
, ja?!
Deshalb
, okay?! Verstehst du das?!«, wütend putzte sie sich ihre Nase. Wortlos reichte Wolfgang ihr ein neues Taschentuch. »Und außerdem dröhnt mein Kopf, weil ich heute nicht genug getrunken hab«, murmelte Anna patzig.
    »Aber das geht so nicht!«, Ulrike sprang von der Bank auf. »Das geht ja so nicht weiter, Anna!«, rief sie aufgebracht, sie schlug sich mit der Hand an die Stirn. »Du musst doch was trinken! Die müssen dich doch wohl trinken lassen da in deiner Firma! Das können die dir ja wohl nicht auch noch verbieten, oder?! So viel Zeit muss ja wohl drin sein!« Ihr Atem schwebte durch die kalte Luft wie der Rauch mehrerer Zigaretten auf einmal. »Oder etwa nicht?!«
    »Ach, Ulllllaaaa«, unterbrach Wolfgang Annas Mutter mild.
    »Ja, ist doch wahr!«, fuhr Ulrike ihn an. »Sie kann sich doch nicht immer so überarbeiten da! Das bringt doch niemandem was! Woher hast du das nur, Anna? Diesen irren Wahn, dich so zu verausgaben, bis du umkippst!?« Ihre Stimme klang jetzt eher verzweifelt als wütend.
    Anna schwieg.
    Ulrike setzte sich wieder neben sie auf die Bank. »Das ist es doch nicht wert, Süße!«, sagte sie ruhiger. »Was kann man da denn ändern? Hm?«, sie fing wieder an, Annas Kopf zu streicheln. »Das muss man doch irgendwie hinkriegen? Hm? Da muss man doch mal umdenken … Und Konsequenzen ziehen. Du musst dir einfach regelmäßig einen Ausgleich schaffen, Mäuschen, sonst machst du dich ja kaputt … Und als Erstes musst du dich vor allem einfach mal
ausschlafen

    Anna schüttelte die Hand von ihrem Kopf. »Mama, ich
kann
mich aber grad einfach nicht ausschlafen!«, herrschte sie Ulrike an. »Das ist
unmöglich
! Kapier das doch endlich mal! Denkst du, auf die Idee wär ich sonst nicht selbst schon mal gekommen, oder was?! Das ist einfach so ein
Druck
bei uns, den kannst du dir gar nicht vorstellen!«
    Eine auf dem Fahrrad vorbeirollende Passantin drehte sich zur Bank um. Anna senkte ihre Stimme. »Weißt du, und ich erwarte das ja auch gar nicht von dir«, zischte sie ihre Mutter böse an. »Ich erwarte ja überhaupt nicht, dass du dich in mich hineinversetzen kannst. Und ich bin jetzt auch ehrlich gesagt nicht hergekommen, um mit dir Optimierungsmaßnahmen für mein Leben zu erarbeiten. Sag mir doch einfach nur, dass alles gut wird, das reicht mir dann schon vollkommen.« Ärgerlich bemerkte Anna, dass ihre Augen wieder überfluteten, sie fuhr sich grob mit dem Handrücken über die Wangen. »Und
nein
, keine Sorge, du hast nichts falsch gemacht«, fügte sie schluchzend hinzu, »gar nichts! Ich bin völlig in Ordnung. Ich bin ansonsten
vollkommen normal
. Es ist einfach nur mega-stressig im Büro grad. Nicht mehr und nicht weniger.

Weitere Kostenlose Bücher