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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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dir.«
    Floßhilde errötete ausnahmsweise einmal unwillkürlich und mußte feststellen, daß sie nicht ganz den richtigen Zeitpunkt erwischt hatte. Das war für sie höchst ungewöhnlich, denn sie war ohne Frage eine der drei Frauen, die wie niemand sonst in der Welt die Kunst des Errötens beherrschten. Aber Malcolm hatte ihren Ausrutscher anscheinend gar nicht bemerkt. Es war herrlich, mit jemandem zusammenzusein, der einen nicht gleich kritisierte, wenn man mal etwas falsch machte.
    »Ich habe in sämtlichen Büchern nachgeschlagen«, fuhr sie fort. »Da gibt’s gar kein Problem. Jedesmal, wenn du das Gefühl hast, alt zu werden, verwandelst du dich einfach in jemand Jüngeren.«
    Malcolm schüttelte den Kopf. »Ich glaube, der Tarnhelm funktioniert nicht mehr«, entgegnete er traurig und erzählte Floßhilde von seinen erfolglosen Versuchen, sich wieder in Malcolm Fisher zurückzuverwandeln. Sie lachte und ermahnte ihn, keinen Unsinn zu reden.
    »Hast du denn gar nichts gelernt?« fragte sie. »Du hast versucht, dich in Malcolm Fisher zu verwandeln. Aber du bist ja Malcolm Fisher. Das kann doch gar nicht funktionieren!«
    Dem konnte Malcolm nicht so recht folgen, aber zumindest war er beruhigt. Nun gab es nichts mehr, worüber sie sich noch Sorgen zu machen brauchten, deshalb schlug er vor, ins Haus zu gehen und zu frühstücken.
    »Einen Moment noch«, bat Floßhilde.
    Sie musterte den Ring mit scharfem Blick, hielt den Atem an und zeigte in den Himmel. Aus dem Nichts tauchte eine kleine rosafarbene Wolke auf und brauste durch die Luft, bis sie direkt über Malcolms und Floßhildes Kopf schwebte. Plötzlich flammte ein blendender rosaroter Blitz auf, und die Wolke war verschwunden. Statt dessen flirrten überall Blütenblätter von rosaroten Rosen aus den Lüften herab, und ein Flamingoschwarm erhob sich anmutig in den Himmel.
    »Na, so toll war das wirklich nicht«, räumte Floßhilde ein. »Vorhin habe ich das noch für eine gute Idee gehalten.«
    »Na ja, auf die kommt’s ja schließlich an«, tröstete Malcolm sie. »Komm, ich habe Hunger!«
    Sie gingen ins Haus. Die beiden Raben, die das Gespräch in den Zweigen einer Eiche belauscht hatten, sahen sich an.
    »Ach, das finde ich aber schön«, sagte Gedächtnis.
    »Idiot!« raunzte ihn Gedanke an. »Guck mal, ist das dahinten etwa ein totes Kaninchen?«
    »Wo?«
    »Na, da drüben bei den Brennesseln.«
    »Das hört sich schon anders an. Also los!«
    Die beiden ließen sich an die besagte Stelle gleiten und machten sich ans Picken. Sie hatten beide großen Hunger, und das Kaninchen war gut und saftig. Als Gedächtnis satt war, wischte er sich den Schnabel ordentlich am Bein ab und blieb eine Zeitlang nachdenklich stehen.
    »Hast du schon mal diesen Film gesehen?« fragte er schließlich.
    »Welchen Film?«
    »Keine Ahnung. Jedenfalls erinnert mich das hier ein bißchen daran. Happy-End und so weiter.«
    Gedanke schüttelte den Kopf. »Ich kann Happy-Ends nicht ausstehen. Das ist doch bloß Schönfärberei. So ist das Leben nicht.«
    »Ich weiß nicht, manchmal schon.«
    »Also, du bist ganz sentimental, ehrlich«, schnaubte Gedanke verächtlich. »Los, es wird Zeit, daß wir uns wieder auf den Weg machen.«
    Die beiden Raben erhoben sich in die Luft und begannen mit ihrem täglichen Rundflug. Wo immer sich Leben regte und Gehirne arbeiteten, flogen sie hin. Ihren strahlenden runden Augen entging nichts, ihre Ohren waren stets wachsam. Doch die heutigen vierundzwanzig Stunden sollten wieder einmal ein ruhiger Tag in der besten aller möglichen Welten werden. Nach einer Weile wurde es den Raben zu langweilig, und sie kehrten um. Als sie über den kleinen Ort Ralegh’s Cross flogen, erblickten sie drei Straßenbauarbeiter mit Spitzhacken, die versuchten, einen seltsamen Felsblock zu zerschlagen, der vor ein paar Monaten urplötzlich mitten auf der Straße aufgetaucht war. Aber ihre Werkzeuge konnten dem harten Stein nicht einmal einen Kratzer zufügen, und deshalb hatten die drei Männer erst einmal eine Pause eingelegt.
    »Ich wüßte wirklich zu gerne, wie dieser Stein eigentlich hierhergekommen ist«, sagte gerade einer der drei.
    Gedächtnis stieß im Sturzflug herab und ließ sich auf dem Felsblock nieder, der einst der Riese Ingolf gewesen war. »Das ist eine lange Geschichte«, erklärte der Rabe.
    Aber die Arbeiter hörten ihm gar nicht zu.

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