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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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nämlich furchtbar spießige Leute, bei denen selbst noch mitten durchs Wohnzimmer eine Pipeline verläuft.«
    »Also deshalb konnten dich Gedanke und Gedächtnis nirgendwo finden …«
    »Haben die mich denn gesucht?«
    »Die haben kaum noch was anderes gemacht, seitdem du verschwunden warst. Du hättest mir das sagen sollen.«
    Floßhilde lächelte erneut. »Ich konnte ja nicht ahnen, daß dich das interessiert. Ehrlich nicht. Ich bin nur noch mal zurückgekommen, um nach einem Kamm zu suchen, den ich vergessen hatte.«
    Das entsprach zwar bis auf den Teil mit dem Kamm nicht ganz den Tatsachen, aber Floßhilde hoffte, Malcolm würde das nicht merken. Der Urlaub auf dem Meeresboden hatte überhaupt keinen Spaß gemacht, und außerdem hatte sie Malcolm einfach nicht vergessen können. Schon deshalb war seine Reaktion auf ihre letzte Äußerung möglicherweise von großer Bedeutung.
    »Also, das interessiert mich schon. Sogar brennend.«
    »Ja, ich glaube, das interessiert dich wirklich«, erwiderte Floßhilde, wobei sie an die Kletterei über die Uferböschung und vor allem an den Kuß dachte. »Du bist übrigens ganz naß.«
    »Wirklich?«
    »Ja. Es wäre vielleicht keine schlechte Idee, an Land zu gehen.«
    Die Notwendigkeit eines solchen Schritts wollte Malcolm nicht so recht einleuchten, denn er war jetzt, da er zusammen mit der Frau, die er liebte, in einem sechzig Zentimeter tiefen Bach stand, viel glücklicher, als er jemals auf festem Land gewesen war. Aber wenn sie das für einen guten Einfall hielt, wollte er dem Vorschlag gern eine Chance geben. Also stiegen Malcolm und Floßhilde aus dem Wasser und setzten sich unter einen Baum. Zufällig war es derselbe, unter dem Malcolm Ortlinde den ersten Kuß gegeben hatte; aber schließlich konnte man nicht von ihm erwarten, sich an alles zu erinnern.
    »Reden wir gar nicht erst darüber«, sagte Floßhilde. »Du weißt ja, wo das hinführt. Verbringen wir einfach für den Rest unseres Lebens eine schöne Zeit.«
    So, wie Floßhilde das sagte, schien es die leichteste Sache der Welt zu sein. Malcolm lehnte sich mit dem Rücken an die Eiche und dachte darüber nach. Wie er aus zuverlässiger Quelle wußte, war alles, was er vom Gefühl her tun wollte, wahrscheinlich richtig.
    »Na gut«, erwiderte er. »Aber zuerst muß ich den Ring meiner Schwester Bridget geben.«
    »Mach keinen Quatsch …«
    »Aber das muß ich tun. Das ist nämlich so …«
    »Mach keinen Quatsch!«
    »Na gut«, lenkte Malcolm ein, »dann schenke ich ihn eben dir.«
    Er zog den Ring ab, blickte ihn an, warf ihn in die Luft, fing ihn wieder auf und steckte ihn Floßhilde auf den linken Ringfinger. Dann wartete er eine Sekunde. Es passierte nichts. Floßhilde starrte ihn mit offenem Mund verdutzt an.
    »Der steht dir gut«, sagte Malcolm.
    »Warum hast du das getan?«
    »Erstens«, hob Malcolm zu einer längeren Erklärung an, »weil der Ring ursprünglich dir gehört hat. Zweitens, weil du viel älter und schlauer bist als ich. Drittens, weil ich dich liebe. Und viertens, weil es sich schon lohnt, nur um zu sehen, was du dabei für ein Gesicht machst.«
    Floßhilde fiel darauf keine Antwort ein, und Malcolm genoß diesen Augenblick. Wahrscheinlich war es das letzte Schweigen, das er für viele, viele Jahre von ihr erwarten konnte.
    »Macht es dir auch bestimmt nichts aus?« fragte Floßhilde.
    Malcolm mußte lachen, denn immerhin war das Ortlindes Lieblingsphrase gewesen, und bald kicherte auch Floßhilde. »Nein, aber mal ehrlich, das ist immerhin der Ring«, fuhr sie fort. »Sei doch mal einen Moment lang ernst.«
    »Ernst?« Malcolm ergriff sie am Arm und zog sie zu sich heran. »Verstehst du das denn nicht? Ernst ist das allerletzte, was ich mir leisten kann. Seit du nicht mehr da warst, ist irgendwas Schreckliches mit mir vorgegangen. Ich konnte mir gar nicht denken, was das war, obwohl’s mir alle Welt versucht hat zu sagen. Sogar der Tarnhelm. Ich hatte mich allmählich in Wotan verwandelt. Ich bin langsam, aber sicher genauso geworden wie er.«
    »Nie und nimmer!« protestierte Floßhilde. »So könntest du nie sein. Das fängt schon damit an, daß er größer war als du.«
    »Ich könnte sehr wohl wie Wotan sein und bin auch schon fast soweit gewesen. Als mir das aufgefallen ist, war mein erster Gedanke, den Ring meiner Schwester zu schenken, weil mir immer alle erzählt haben, sie sei viel verantwortungsbewußter als ich. Aber du hast recht, das wäre das Schlimmste gewesen, was ich

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