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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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der arbeitslosen Geister den Schienennetzen und Autobahnen zu, eine Regelung, die den meisten Ansprüchen gerecht zu werden schien. Er beauftragte die Nornen damit, ein Einstellungsverfahren auszuarbeiten. Alle Götter, die mit einer Straße oder einem Schienenweg betraut werden wollten, mußten eine schriftliche Prüfung ablegen und wurden entsprechend den erzielten Ergebnissen eingesetzt. Da sie ihre Aufgaben rein ehrenamtlich wahrnahmen, änderte sich zwar für die Allgemeinheit so gut wie nichts, aber es schien zumindest der Gemeinschaft der Götter eine kleine Freude zu bereiten – durch die Arbeit erhielt ihr Leben wieder einen Sinn, was, wenn man es mit Göttern zu tun hat, keine zu unterschätzende Leistung ist.
    Überdies waren auch bereits existierende Stellen neu zu besetzen, da beim Angriff auf Combe Hall viele Flußgeister und Wolkenhirten zusammen mit ihrem Herrn und Meister untergegangen waren. Auch in diesem Fall erhielten die Nornen den Auftrag, ein Verzeichnis der offenen Stellen und parallel dazu eine Liste geeigneter Bewerber zusammenzustellen. Malcolm, mit göttlicher Prosopographie keineswegs vertraut, mußte sich dabei zwar voll und ganz auf das Urteil seiner Ratgeberinnen verlassen, doch aus irgendeinem Grund hatten alle übernatürlichen Wesen, denen er begegnete, offensichtlich durch die Bank furchtbare Angst vor ihm. Dank dieses panischen Schreckens, noch verstärkt durch Malcolms Fähigkeit, Gedanken zu lesen, schien die Gefahr von Bestechung und Vetternwirtschaft bei der Vergabe der Stellen recht unwahrscheinlich.
    Malcolm selbst hatte allerdings größte Schwierigkeiten zu verstehen, warum er bei seinen Untergebenen solch eine Furcht hervorrief. Gut, seine Geduld wurde zugegebenermaßen hin und wieder hart auf die Probe gestellt, weil sämtliche Götter und Geister sich selbst ungemein wichtig nahmen, obwohl sie überhaupt keine Macht mehr besaßen. Zudem hatte er von Zeit zu Zeit sogar die Beherrschung verloren und damit einen an sich nicht geplanten Regenschauer ausgelöst, das räumte er ebenfalls gern ein. Aber die Welt blühte und gedieh trotzdem weiter, und die ansonsten perfekten Verhältnisse wurden nur noch durch die epidemieartige Ausbreitung von Liebe und Romantik verdorben. Eins machte Malcolm jedoch Sorgen: Der Tarnhelm schien neuerdings eine kleine Macke zu haben. Hin und wieder – zumeist nach einer besonders anstrengenden Besprechung oder einer langen Nacht voller Schreibarbeit – mußte Malcolm nämlich zu seiner Empörung feststellen, daß er die Gestalt gewechselt hatte, ohne es zu wollen. Um das Maß vollzumachen, suchte der Tarnhelm für ihn jedesmal auch noch das Erscheinungsbild Wotans aus. Diese Eigentümlichkeit und ein seltsames Verlangen nach Schnaps gaben Malcolm doch ziemlich zu denken, aber er tat seine Befürchtungen kurzerhand als Paranoia ab und machte einfach mit der Neuordnung der Welt weiter.
    Glücklich war er allerdings nicht dabei. Obwohl er sich nicht mehr erinnern konnte, wie Ortlinde ausgesehen hatte, war ihm bewußt, daß er sehr oft an sie dachte. Er wurde einfach die furchtbaren Schuldgefühle nicht los, für das Ende ihrer Existenz verantwortlich gewesen zu sein. Er verschloß die Bibliothek von Combe Hall, doch Ortlinde schien ihn nicht nur dort, sondern im ganzen Haus zu verfolgen. Schließlich entschied er, daß die Zeit reif sei, endgültig aus dem Herrenhaus auszuziehen. Er ließ Colonel Booth kommen (dessen wirklicher Name, wie er herausfand, Guttorm lautete), dankte ihm für die Überlassung des Hauses und sah sich nach einer neuen Bleibe um. Aber irgendwie konnte er sich für diese neue Aufgabe nicht so recht begeistern, und obwohl ihm die Nornen, die ihm mittlerweile unentbehrlich geworden waren, immer wieder detaillierte Beschreibungen äußerst attraktiver Häuser aus aller Welt schickten, hatte er Probleme damit, die Energie für eine Reise und Besichtigung aufzubringen. Da erwähnte eines Tages die jüngere Norne, daß es ja noch immer Walhalla gebe …
    »Ich habe immer gedacht, Walhalla sei vollständig abgebrannt«, sagte Malcolm.
    »Gebrannt hat Walhalla schon«, bestätigte die Norne, »aber abgebrannt ist die Burg nicht. Die Mauern sind noch vollkommen in Ordnung. Ich hatte ein paar Architekten hingeschickt, und die sagen, Walhalla könne ohne Schwierigkeiten wieder bewohnbar gemacht werden. Natürlich sind die besten Baumeister der Welt die Riesen gewesen, aber die sind ja nun tot. Andererseits war es schwierig, mit

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