Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
nieder. Die Götter unterlassen es dummerweise, das in Flammen aufgehende Walhalla zu verlassen, und vor einen verkohlten Himmel und einer überfluteten Erde fällt der Vorhang, anders ausgedrückt: ein typisches Opern-Happy-End. Jedenfalls hielt es Wagner dafür …
Als Malcolm die Zusammenfassung der Nibelungensage schließlich zu Ende gelesen hatte, waren bei ihm zwei Eindrücke haftengeblieben: Da war zum einen der Drache Fafner – der, anstatt wie jeder andere, sein Geld unter der Matratze zu verstecken, seine Matratze sozusagen unter dem Geld versteckt hatte – und zum anderen die Einsicht, daß die Menschheit stets die Götter bekommt, die sie verdient. Er schüttelte betrübt den Kopf und ließ sich zur Dorfkneipe transportieren.
Bei einem großen Bier und einem Sandwich mit Hühnerfleisch ging er die ganze Geschichte noch einmal in Gedanken durch. Der Mangel an Logik und die vielen Ungereimtheiten, von denen die Sage durchsetzt war, ließen ihn an ihrem Wahrheitsgehalt nicht im geringsten zweifeln, sondern überzeugten ihn schließlich sogar vom Gegenteil; denn genauso stellte sich für ihn das Leben dar. Auf einen Bierdeckel schrieb er die Namen sämtlicher Götter und Ungeheuer, die auf der Suche nach ihm sein mochten, und wandte seine Aufmerksamkeit dringenderen Angelegenheiten zu.
Zunächst einmal mußte er das Gold der Nibelungen in Bargeld verwandeln. Er entschied sich für den direkten Weg und ließ sich in die Bond Street transportieren, wo er ein alteingesessenes Juweliergeschäft entdeckte. Dann nahm er ein ernstes und seriöses Äußeres an und näherte sich dem Verkaufstresen mit zwei Kelchen, die er sich aus dem am heutigen Morgen materialisierten Gold aufs Geratewohl herausgefischt hatte.
Der Juwelier musterte die beiden Goldkelche schweigend, dann kippte er einen schräg zur Seite, um die absonderliche Schrift am Rand zu begutachten und sagte: »Das ist merkwürdig, die Dinger stehen nicht auf der Liste.«
»Auf welcher Liste?«
»Auf der Liste gestohlener Wertgegenstände aus Gold und Silber, die wir monatlich von der Polizei zugeschickt bekommen. Oder haben Sie die Dinger erst kürzlich mitgehen lassen?«
»Ich habe die Kelche nicht gestohlen, sie gehören mir«, widersprach Malcolm wahrheitsgemäß.
»Das kannst du dem Inspektor erzählen, Freundchen«, sagte der Juwelier, und während er zum Telefonhörer griff und eine Nummer wählte, versperrte bereits ein bulliger Verkäufer die Eingangstür. »Ihr Leute lernt einfach nichts dazu. Du kommst hier reingeschneit, erwartest von mir, für das Gold fünf Riesen zu kriegen und …«
»Soviel?«
»Das ist jedenfalls der Wert des Metalls. Außerdem muß man zweitausend Pfund für die Qualität der Arbeit dazurechnen, wenn es Originale sind. Ich schätze, der rechtmäßige Besitzer wird sich freuen, sie wiederzubekommen.«
»Ach, das hat schon alles seine Richtigkeit, aber Sie können die Dinger gern behalten«, sagte Malcolm und verschwand.
3. KAPITEL
Als Malcolm wieder zu Hause in Nether Stowey war, setzte er sich einen Kessel mit Teewasser auf und suchte nach einer Möglichkeit, wie man mit dem Schatz der Nibelungen die Weltherrschaft erlangen konnte. Zunächst müßte er mit einem skrupellosen Goldhändler in Kontakt treten, was nicht allzu schwierig sein dürfte – dazu bräuchte er lediglich den Tarnhelm im Reisemodus darum bitten, ihn in das Haus eines solchen Händlers zu bringen, und schon wäre er da und könnte ihm angemessene Goldmengen verkaufen, ohne irgendwelche Fragen gestellt zu bekommen. Mit dem daraus erzielten Erlös konnte er Geschäftsanteile kaufen – viele Beteiligungen an vielen Großfirmen –, dann noch mehr Gold verkaufen und noch mehr Geschäftsanteile erwerben. Früher oder später würde er den Goldmarkt überfluten, was zwar bedauerlich wäre, aber bis dahin sollte er genügend Firmenbeteiligungen besitzen, ohne ausschließlich vom Gold abhängig zu sein. Nach etwa einem Jahrzehnt, in dem er so viele Anteile gekauft hatte, wie er konnte, dürfte er in der Lage sein, allmählich Kontrolle über die größten multinationalen Konzerne zu erlangen. Durch diese Konzerne (und durch massive Korruption) könnte er immer mehr Einfluß auf die Regierungen der Länder der freien Welt gewinnen.
Mit der freien Welt in der Tasche bräuchte er gegenüber totalitären Staaten nur noch eine besonnene Entspannungspolitik zu betreiben, und zwar mit dem einzigen Ziel, diese Länder irgendwann unterwandern zu
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