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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Erwartungen gehorchte der Tarnhelm auch dieser Anweisung, und im Spiegel bot sich Malcolm ein Anblick von außergewöhnlicher Schönheit, so daß er eine Weile brauchte, ehe ihm klar wurde, daß es sich dabei um ihn selbst handelte. Am außergewöhnlichsten daran war, daß alles bis ins letzte Detail naturgetreu nachgebildet zu sein schien. Warum sollte er nicht die Person sein dürfen, die er sein wollte? Zur Hölle mit den Naturgesetzen!
    Im nächsten Teststadium ging es um den Reisemodus der Kappe. Ingolf hatte ihm gesagt, daß er zu jeder Tageszeit und ohne Kilometerbegrenzung verreisen könne. Obwohl sich das nach dem ersten Preis in einer Gameshow oder einem Werbeslogan für eine Jahreskarte der Bahn anhörte, war er mittlerweile innerlich darauf vorbereitet, daß dies möglich war. Falls er allerdings wirklich vorhatte, das Haus zu verlassen, sollte er sich lieber entsprechend anziehen, zumal er noch immer den Schlafanzug trug. Er schaute sich, nach sauberen Strümpfen um, bis ihm einfiel, daß das gar nicht nötig war. Schließlich mußte er nur daran denken, ordentlich angezogen zu sein, und schon brauchte er sich keine Gedanken um saubere Hemden oder andere Kleidungsstücke mehr zu machen. Jetzt konnte er sich sogar diesen schicken Kaschmirpullover leisten, den er in der Boutique in Bridgwater gesehen hatten, und genausowenig war es ein Problem, ihn in passender Größe zu bekommen.
    Für seine erste Reise schien es angebracht, nicht zu waghalsig vorzugehen, falls Komplikationen auftreten würden. Das Badezimmer, dachte er, und schon war er da. Dabei hatte er nicht den Eindruck gehabt, durch die Luft geflogen oder in seine Einzelteile aufgelöst worden zu sein – er war einfach nur da. Eine ziemliche Enttäuschung, da Malcolm gern reiste, und eine von Hoffnungen geprägte Anreise war meistens angenehmer als die zumeist ernüchternde Ankunft (jedenfalls hatte er stets diese Erfahrung gemacht). »Die High Street«, befahl er laut.
    Draußen auf der Straße war es kalt, und er bat um einen Mantel, der umgehend eintraf, sich ihm kaum wahrnehmbar um die Schultern legte und sich von selbst zuknöpfte. Zurück, dachte er, und schon saß er wieder auf der Bettkante. Plötzlich schien auch das äußerst real zu sein, was in erster Linie an der Leichtigkeit lag, mit der er damit umging; keine Probleme, wie man sie bei einem Zaubertrick oder ähnlichen Kunststücken erwartet hätte. Er verwandelte sich oder reiste von A nach B, als müßte er nur mit den Fingern schnippen, und beides durch genau denselben Vorgang; er wünschte sich, daß es passierte, und es passierte. Auf dieselbe Weise schien es allerdings auch seinen Reiz zu verlieren. Nur weil man seinen Arm auf Wunsch bewegen kann, folgt daraus noch lange nicht, daß man diesen Vorgang aus purem Vergnügen andauernd wiederholt. Irgendwie fühlte er sich desillusioniert und mußte sich bewußt zusammenreißen, um mit dem Experiment fortzufahren.
    Ihm fiel ein, daß er gar nicht genau angegeben hatte, wo er in der High Street abgesetzt werden wollte. Das konnte Probleme mit sich bringen. Falls er einfach Jamaika oder Finnland als Reiseziel nennen würde, ohne anzugeben, wo er in diesen bestimmten Ländern ganz genau landen wollte, könnte er sich womöglich auf der Oberfläche eines Sees oder auf der Überholspur einer Autobahn wiederfinden. Er versuchte es noch einmal mit der High Street und stellte fest, daß er sich exakt auf mittlerer Straßenhöhe befand und sicher auf dem Bürgersteig stand. Dieses Manöver wiederholte er noch dreimal und landete jedesmal an derselben Stelle. Dann versuchte er es mit ein paar Dörfern und Städten in der näheren Umgebung, wobei sich ein bestimmtes Schema herausstellte. Der Tarnhelm setzte ihn stets im unmittelbaren Zentrum einer Stadt ab, und zwar jedesmal an einer sicheren Stelle, wo er unbemerkt Gestalt annehmen konnte.
    Konnte er eine körperliche Verwandlung mit einer Reise kombinieren? »Bristol und Postbote!« schrie er laut und wurde sogleich zum Postboten in der City von Bristol. Das machte Spaß. In allen möglichen Verkleidungen klapperte er nun die Hauptstädte der Erde ab (soweit er sich an sie erinnern konnte; Erdkunde war auf der Schule nie seine Stärke gewesen), wobei er sich immer nur so lange aufhielt, bis er ein Schaufenster entdeckte, in dem er sein Spiegelbild betrachten konnte. Der einzige – relative – Mißgriff bei dieser Weltreise war Washington, das er in Gestalt eines Programmierers besuchen

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