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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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letzten Hühnerbein abgezogen worden war, strömten die Gäste in den Park, wo das Fest bereits in vollem Gang war. Eine aus garstigen alten Männern und mürrisch dreinblickenden Kindern zusammengewürfelte (und entsprechend untalentierte) Blaskapelle spielte laut auf, allerdings nicht laut genug, um das ohrenbetäubende Stimmengewirr auf der Leistungsschau zu übertönen, das so anheimelnd und einschüchternd wie das Summen eines wütenden Hornissenschwarms war. Dort hatte man in eigens angelegten kleinen Gehegen unzählige landwirtschaftliche Nutztiere ausgestellt, die allesamt an Übergewicht zu leiden schienen. Überall gab es am Rande äußerst einfallslose Nebenvorstellungen zu sehen, und man konnte alte Zugmaschinen und Trecker bestaunen sowie eine Schafherde, die sich gelangweilt, aber bestimmt den verzweifelten Bemühungen einer Anzahl von Schäferhunden widersetzte, sie zu unlogischen Handlungen zu zwingen. Alles war so, wie es sein sollte, und im Mittelpunkt dieser ländlichen Idylle stand natürlich das Springreiten.
    Während Malcolm gerade sein von Einheimischen übersätes Anwesen überblickte, wurde er hinterrücks vom Ayres-Clan überfallen: von William, Michael, Joseph und natürlich Elizabeth. Gleich darauf wurde er den beiden furchterregenden Brüdern vorgestellt, die in Gegenwart ihres Vaters nur selten einen Laut von sich gaben, und natürlich auch der Tochter der Familie. Miß Ayres schien aus der Art zu schlagen, denn sie war fürwahr ein hübsches Mädchen; etwa einen Meter sechzig groß, hellbraunes Haar, tiefblaue Augen und ein solch offenherziges Lächeln, das man selbst das Kleingedruckte darin lesen konnte. Malcolm, dessen Verstand die Welt kontrollierte, erwiderte das Lächeln und stellte dabei die geometrisch perfekten Zähne des Drachentöters zur Schau. Niemand auf der Welt lächelte betörender als diese beiden Menschen, kein Werbespot für Zahnpasta konnte da mithalten, und dabei geschah alles nur aus Höflichkeit. Malcolm hätte am liebsten laut losgeschrien: ›Schau doch, Liz! Ich bin’s, Malcolm! Ich sehe nur besser aus als sonst.‹ Statt dessen hörte er Liz, die er auf seine so unbeholfene, aber aufrichtige Art von ganzem Herzen liebte, aufmerksam zu, während sie ihm fast mechanisch die Grundregeln des Gymkhanas erklärte. Allerdings hörte Malcolm ihren Erläuterungen nicht wirklich zu, weil er die durch das Trinken des Riesenbluts erlangte Gabe nutzte, Liz’ Gedanken lesen zu können. Das war schnell erledigt, und mit Ausnahme von ein, zwei Schulzeugnissen hatte Malcolm noch nie zuvor etwas so Entmutigendes lesen müssen. Obwohl ihn der Tarnhelm zum schönsten Mann der Welt gemacht hatte, stand schnell fest, daß Miß Ayres nicht nach Äußerlichkeiten ging, zumal sie sich die ganze Zeit fragte, an wen sie dieser ausländische Langweiler erinnerte. Wer war das noch mal? Ach ja, jetzt hab ich’s! Dieser Malcolm Fisher …
    Malcolm lächelte, wünschte der Familie für den Wettkampf viel Glück und verdrückte sich gleich darauf. Erst als er sich völlig sicher war, daß er von niemandem beobachtet wurde, verwandelte er sich in einen Apfelbaum und stand für eine Weile wortwörtlich wie angewurzelt in einer der Hecken. Er wußte nämlich, daß Apfelbäume nicht weinen können. Aber selbst ein Apfelbaum kann bösartige Gedanken hegen (fragen Sie mal einen Botaniker), und wenn das für die Welt schlimme Folgen hat, dann soll es so sein. Eine von Malcolms wenigen verbliebenen Illusionen war zerstört worden: Er hatte immer geglaubt, daß sein völliger Mangel an Attraktivität beim anderen Geschlecht lediglich an seiner wenig einnehmenden äußeren Erscheinung lag. Ein Defizit, für das er (wie er gern ins Feld führte) nichts konnte, so daß sein Scheitern auf diesem Gebiet menschlicher Bemühungen kein schlechtes Licht auf ihn, sondern nur auf diejenigen warf, die sich aufgrund von Äußerlichkeiten ein Urteil bildeten.
    Die logische Folge der Zerstörung dieser Illusion war, daß Malcolm sich nichts anderes wünschte, als auch einmal etwas Gemeines und Abscheuliches zu tun, und er wollte es Philip Wilcox antun, am liebsten vor einer großen Menge bösartiger Menschen. Er zuckte mit den Zweigen, verscheuchte dabei eine Amsel und nahm wieder seine menschliche Gestalt an.
    Dank Ingolfs Blut verstand Malcolm alle Sprachen und sämtliche Ausdrucksweisen, sogar die merkwürdigen Geräusche, die gerade aus den Lautsprechern dröhnten. Die Teilnehmer des Hauptereignisses wurden

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