Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
verstummte schlagartig, zumal etwas falsch daran zu sein schien, daß Joe das Pferd ritt anstatt andersherum. So, wie Joe offensichtlich der Stärkere von beiden war, war Moonbeam eindeutig die Intelligentere. Tante Marjorie, die wie so viele aus ihrer Gesellschaftsschicht eine Art gezähmter Zentaur war, beugte sich vor und musterte mit ihren leuchtenden Froschaugen Stute und Reiter. »Schau dir mal Joes Knie an«, murmelte sie. »Jetzt schau dir bloß mal diese Knie an!«
    Joe gab zwar sein Bestes, aber es herrschte die allgemeine Überzeugung vor, daß selbst sein Bestes nicht gut genug sei. »Zwölf Fehler«, verkündete die Lautsprecherstimme, und Tante Marjorie schüttelte betrübt den Kopf. »Warum hat der Idiot die Peitsche nicht benutzt? Als ich noch ein Mädchen war …«
    »Entschuldigen Sie«, wurde sie von einem der drei Mädchen unterbrochen, die sich gerade nach vorn durchgekämpft hatten. »Offenbar verstehen Sie etwas davon. Könnten Sie uns vielleicht sagen, was da eigentlich vor sich geht? Wir haben so gut wie keine Ahnung von Pferderennen.«
    »Das ist kein Pferderennen, sondern ein Springreiten«, korrigierte Tante Marjorie das Mädchen, ohne sich dabei umzublicken.
    »Ach so, jetzt verstehe ich«, sagte das jüngste der drei Mädchen.
    »Haben Sie so ein Springen denn noch nie gesehen?« erkundigte sich Liz freundlich.
    »Nein«, antworteten die Mädchen wie im Chor, und das entsprach sogar der Wahrheit. Auf dem Grund des Rheins, wo diese drei Mädchen, die Rheintöchter Floßhilde, Wellgunde und Woglinde, die letzten zweitausend Jahre verbracht hatten, finden keine Reitveranstaltungen statt und nur sehr selten Geschicklichkeitswettbewerbe wie dieses Gymkhana und dann auch nur in Form von Forellenrennen, aber schließlich ist das etwas ganz anderes.
    »Nun ja, der Grundgedanke dabei ist, daß die Pferde über alle diese Hindernisse springen«, erläuterte Tante Marjorie geduldig, als erkläre sie einer Neandertalerin, wie man Messer und Gabel benutzt.
    »Und warum?« fragte Floßhilde, wobei ihr Woglinde einen bösen Blick zuwarf.
    »Weil man dann Fehlerpunkte kriegt, wenn man das nicht schafft. Und wenn man mehr Fehler als alle anderen gemacht hat, verliert man.«
    »Prima, jetzt wissen wir ja schon eine ganze Menge«, bedankte sich Floßhilde strahlend.
    »Mister Philip Wilcox auf Mayfair«, verkündete die Lautsprecherstimme.
    Tante Marjorie drehte sich zu den Rheintöchtern um, die sich gerade an einigen grauenhaften Wortspielen mit dem Wort ›reiten‹ erfreuten, und rief sie zur Räson. »Jetzt achten Sie mal lieber auf den Reiter, meine Damen! Er ist wirklich sehr gut.«
    Die Rheintöchter guckten so ernst drein, wie sie nur konnten (was im eigentlichen Sinne des Wortes nichts mit Ernsthaftigkeit zu tun hatte), und wandten ihre Aufmerksamkeit Philip Wilcox zu, der gerade auf seinem müden, aber willensstarken Pferd den Parcours betrat. Als das Pferd bei ihnen vorbeikam, wollte Floßhilde es gerade ein wenig aufscheuchen, aber Wellgunde versetzte ihr einen Stoß, und sie beherrschte sich wieder.
    »Wie Sie sehen können, steigert der Reiter jetzt allmählich das Tempo, er hat das Pferd genau zum richtigen Zeitpunkt versammelt und … Oje!«
    »Warum bleibt er stehen?« fragte Woglinde. »Ich dachte, Sie hätten gesagt, daß er über dieses zaunähnliche Ding da springen muß.«
    Über das Raunen und Flüstern der Zuschauer hinweg erhob Tante Marjorie ihre Stimme und erklärte den Mädchen, daß man so etwas als Verweigerung bezeichne.
    »Kriegt er dafür Strafpunkte?«
    »Ja«, antwortete Liz knapp.
    »Trotzdem hat er noch alles selbst in der Hand«, besänftigte Tante Marjorie die anderen, wobei sie sichtlich um Fassung rang. »Ich nehme an, er wird das Hindernis jetzt von der anderen Seite angehen. Ja, ich hab’s mir doch gedacht.«
    »Aber er bleibt ja schon wieder stehen!« staunte Woglinde.
    »Allerdings«, seufzte Liz. »Ich frag mich nur, warum.«
    »Ist es denn erlaubt, daß er sein Pferd mit diesem Stock schlägt?« wollte Floßhilde wissen. »Das muß ja schrecklich weh tun.«
    »Ich finde das furchtbar grausam!« empörte sich Wellgunde.
    »Ich nehme an, diesmal versucht er über das Gatter zu springen«, murmelte Tante Marjorie aufgeregt. »O nein! Nicht schon wieder …«
    »Ich glaube, das ist alles sein eigener Fehler, weil er das Pferd mit diesem Stock schlägt«, entrüstete sich Wellgunde. »Wenn ich das Pferd wäre, würfe ich ihn auch ab.«
    »Bisher dreiunddreißig

Weitere Kostenlose Bücher