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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Fehlerpunkte«, kicherte es leise aus den Lautsprechern.
    »Ist das viel?« fragte Floßhilde, und Tante Marjorie versicherte ihr, daß dies sogar sehr viel sei.
    Bei dem hämischem Gelächter, das sich im weiten Rund erhob, fiel es Philip Wilcox offenbar schwer, klar zu denken. Der einzige Sprung, an den er sich bisher noch nicht herangetraut hatte, war der Wassergraben. Er zog Mayfairs Kopf herum, versprach ihm einen Apfel, wenn er es schaffen sollte – und falls nicht, die Verwertung in der Klebstoffabrik. Als er dem Hengst auf altbewährte Weise die Fersen gab, steuerte Mayfair elegant und rhythmisch auf das Hindernis zu.
    »Jetzt komm schon!« zischte Tante Marjorie. »Ja, gutes Tempo. Und jetzt spring …!«
    Er gibt nichts, wirklich nichts auf der Welt, was Menschen mehr amüsiert als der Anblick eines ausgewachsenen und vollbekleideten Mannes, der ins Wasser fällt, und früher oder später wird sich die Menschheit mit dieser Wahrheit abfinden müssen. Die Rheintöchter (die nicht der menschlichen Spezies angehörten, sondern durch eine einzigartige und völlig zufällige Verschmelzung der Urgewalten erschaffen worden waren) schienen es allerdings äußerst seltsam zu finden, daß ein solcher Unglücksfall bei allen Anwesenden, einschließlich der Lautsprecherstimme, diese Lachsalven auslösen konnte. Selbst bei Wellgunde, die meinte, das geschehe ihm ganz recht, weil er das Pferd mit dem Stock geschlagen habe, kam so etwas wie Mitleid auf. Sie blickte sich um, weil sie sehen wollte, ob sie die einzige war, die nicht lachte, und stellte fest, daß zumindest das Mädchen, das neben dieser dicken Frau saß, sich auch nicht darüber zu amüsieren schien. Das Mädchen wirkte völlig ruhig, und auf seinem Gesicht spiegelte sich eine Gelassenheit wider, wie man sie allenfalls bei einer Madonnendarstellung aus der Renaissance wiederfindet. Vielleicht ist sie ja auch unsterblich, dachte die Rheintochter. Eventuell aber auch nur stinksauer …
    »Ich bin wirklich froh, daß Joe am Ende gewonnen hat«, sagte Liz und stand auf. »Wollen wir nicht mal etwas herumbummeln und sehen, ob wir irgendwo etwas Tee auftreiben, Tante Marjorie?«
     
    Nachdem Malcolm wieder menschliche Gestalt angenommen hatte, taumelte er ins Haus zurück und ließ sich in einen Sessel fallen. Er war völlig erschöpft, sein Mund war geschwollen, der Rücken und die Schenkel schmerzten, und als er so abrupt vor dem Wassergraben stehengeblieben war, hatte er sich einen Halsmuskel verrenkt. Die ganze Angelegenheit hatte ihm wahrscheinlich genauso viele Schmerzen bereitet wie Philip Wilcox, und er gewann mehr und mehr das Gefühl, daß der ganze Aufwand die Sache nicht wert gewesen war. Schon eine einzige Minute hemmungsloser Bösartigkeit seinerseits war womöglich das Schlimmste, was der Welt zustoßen konnte, und sein ursprüngliches Argument, daß alles, was Philip Wilcox schade, ein Segen für die Menschheit sei, schien im nachhinein recht dürftig zu sein. Malcolm konnte nur hoffen, daß die Folgen daraus nicht zu verheerend sein würden.
    Mit Mühe stand er auf und begab sich trägen Schrittes nach draußen. Glücklicherweise dauerte das Fest höchstens noch eine Stunde. Alle die Autos, von denen die Grasflächen zur Zeit noch vor der Sonne abgeschottet wurden, würden sich dann auf den gewundenen Straßen den Weg nach Hause bahnen – und da dies Somerset war, wahrscheinlich mit dreißig Kilometern pro Stunde hinter einem Milchtransporter. Alles, was er jetzt noch zu tun hatte, war das Überreichen der Preise. Das bedeutete natürlich, daß er vor diesen ganzen Leuten irgend etwas Zusammenhängendes sagen mußte, und plötzlich blieb er wie angewurzelt stehen. Angesichts dieser bevorstehenden Tortur hätte er eigentlich nichts als pure Angst verspüren müssen, aber da war nichts. Selbst als er sich regelrecht darum bemühte, ängstliche Gefühle in sich aufkommen zu lassen, blieb die erwartete Reaktion aus. Er zog die Augenbrauen hoch und murmelte etliche Male »Donnerwetter!« vor sich hin.
    Während er auf dem Podest stand und Bandschleifen überreichte, wurde er von den drei Rheintöchtern durch ihre Designer-Sonnenbrillen hindurch aufmerksam beobachtet.
    »Nein, sagt mir nichts«, flüsterte Floßhilde. »Ich hab’s gleich …«
    »Siegfried«, half ihr Wellgunde auf die Sprünge. »Das ist Siegfried. Ganz schön dreist!«
    »Warum sollte er nicht als Siegfried erscheinen, wenn’s ihm gefällt?« bemerkte Woglinde. »Ich finde, es

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