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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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würde ich mir keine solche Gedanken darum machen. Außerdem, nehme ich mal an, können Sie den Anblick von Fisch bestimmt nicht mehr ertragen.«
    »Wenn Sie mich darum bitten, könnte ich selbst das.«
    »Jetzt hören Sie bitte auf damit! Ich weiß genau, was Sie wollen, aber Sie werden es nicht kriegen.«
    »Der Satz könnte von uns stammen«, merkte Woglinde beiläufig an und fuhr dann fort: »Ach, bitte! Schließlich gehört der Ring uns. Wirklich.«
    Vielleicht besaß ihr Lächeln so etwas wie einen Steigerungseffekt, jedenfalls verspürte Malcolm plötzlich das dringende Verlangen, ihr den Ring zu geben. Bevor er wußte, was er tat, hatte er sich den Ring bereits vom Finger gezogen. Erst als er ihren Blick sah – wie ein Kätzchen, das einen Käfer genau beobachtet, bevor es ihn sich schnappt –, ahnte er die drohende Gefahr. Er steckte sich den Ring mit solch ungestümer Eile wieder auf, daß er sich dabei die Haut aufriß.
    »Das darf ich leider nicht«, brachte er zu seiner Entschuldigung hervor. »Ich täte das wirklich gern, aber ich kann es nicht. In Wirklichkeit würden Sie das auch gar nicht wollen.«
    Woglinde lachte plötzlich aufreizend, und Malcolm hatte das Gefühl, als befinde er sich wie eine Fliege in einem Spinnennetz. »Seien Sie doch nicht so albern«, neckte sie ihn. »Ich möchte diesen Ring lieber als alles andere auf Welt. Ich finde, Sie sind richtig gemein.«
    Erneut verspürte er die fast unwiderstehliche Versuchung nachzugeben, und zwar so heftig, daß der Ring ihm die Haut zu verbrennen schien. Malcolm konnte es kaum noch aushalten, und er befahl dem Tarnhelm, ihn fortzubringen. Aber sein Verstand widersetzte sich, den Befehl auszusprechen; das Lächeln war in ihn eingedrungen wie Helligkeit in einen Film, wodurch alles an den Rändern nur noch unscharf zu erkennen ist.
    »Hören Sie auf damit!« schrie er Woglinde an, und sie zuckte zusammen, als hätte er ihr eine Ohrfeige verpaßt. Er umschloß den Ring fest in der Hand, und Woglindes Gesichtsausdruck brach förmlich in sich zusammen. Plötzlich war sie überhaupt nicht mehr schön; sie sah allenfalls wie ein tausend Jahre alter Teenager aus, der etwas haben wollte und wußte, daß er das niemals kriegen würde. Genauso plötzlich war sie gleich darauf liebenswürdiger als je zuvor, und Malcolm wußte, daß sie es aufgegeben hatte.
    »Tut mir leid«, sagte Malcolm, »aber es bleibt dabei.«
    Er verließ das Geschäft und versuchte, nicht noch einmal zurückzublicken, aber die Versuchung war zu groß. Als er sich umdrehte, war das Haus samt Laden verschwunden. Also hatte er diesen Kampf gewonnen; aber war das wirklich schon alles? Wahrscheinlich war es für ihn nicht sonderlich ratsam, während der nächsten Wochen irgendwo schwimmen zu gehen …
    Nach dieser bestandenen Herausforderung brauchte Malcolm dringend etwas zu trinken. Er ging eilig die Canon Street hinauf und steuerte auf seine Lieblingskneipe zu. Aber das Pub war nicht mehr da, statt dessen war dort jetzt eine dieser schicken Weinstuben, die sich unmerklich wie ein Phantom über ganz England ausbreiteten. Natürlich ahnte Malcolm, woher dieses Lokal gekommen war.
    Mit Ausnahme eines fast unbeschreiblich schönen Mädchens, das hinter dem Tresen liebevoll Gläser putzte, war die Weinstube (Le Cochonnet) leer.
    »Sie können alles wieder genauso herrichten, wie es gestern noch gewesen ist«, sagte Malcolm in ernstem Ton.
    Das Mädchen blickte ihn verdutzt an, und einen Augenblick lang fragte sich Malcolm, ob er sich geirrt haben könnte. Aber dann schaute er das Mädchen erneut an und erkannte in ihm die dritte Rheintochter. Zwei solche Mädchen wie dieses konnte es auf der ganzen Welt nicht geben, es sei denn, er hatte extremes Glück.
    »Und welche von den dreien sind Sie? Wellgunde oder Floßhilde?«
    »Floßhilde«, antwortete das Mädchen zurückhaltend. »Also haben Sie die beiden anderen schon kennengelernt, stimmt’s?«
    »Richtig.« Malcolm hielt die rechte Hand hoch und ließ den Ring im Licht glänzen. »Und Sie werden den Ring genausowenig wie die beiden anderen kriegen. Das ist nämlich kein Spielzeug, müssen Sie wissen.«
    Floßhilde musterte das Glas, das sie gerade geputzt hatte, und sagte dann: »Gut, wenn Sie darauf bestehen. Möchten Sie trotzdem etwas trinken?«
     
    Floßhilde war auf ihre Weinstube sehr stolz gewesen, und sie hatte sich nur äußerst widerwillig bereit erklärt, das Lokal wieder in das ursprüngliche Pub namens French Horn

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