Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
ein weiterer potentieller Kunde, der gerade die im Schaufenster ausgestellte Auswahl an Kräutertees in Augenschein nahm. Wellgunde blickte sich rasch um und lächelte zur Tür hinüber. Das dort hängende Schild drehte sich zuvorkommend um und von draußen war nun ›Geschlossen‹ zu lesen. Sobald Wellgunde einen Gegenstand anlächelte, tat dieser grundsätzlich das, was sie von ihm wollte.
    »Ein Geschenk für meine Mutter«, antwortete Malcolm nach einigem Zögern, wobei er über seinen Einfallsreichtum staunte.
    »Mag sie Katzen? Die meisten Mütter mögen nämlich Katzen.«
    »Ja, meine auch.«
    »Wie wär’s dann mit einem Spaghetti-Glas mit einer Katze drauf oder einem Teewärmer in Katzenform oder einer kleinen Porzellankatze oder einer katzenförmigen Kerze oder einem Küchenbrett mit Katzen und Schafen drauf? Zwar haben wir zur Zeit leider keine gerahmten Holzschnitte mit Katzenmotiv mehr auf Lager, aber wir erwarten noch heute nachmittag eine Lieferung. Ich meine, falls Sie es nicht so eilig haben …«
    »Das ist aber eine ganze Menge mit Katzen«, staunte Malcolm.
    »Mit Katzen und Schafen. Wenn irgendwo Katzen oder Schafe drauf sind, kann man fast alles verkaufen, obwohl einige Leute Kaninchen bevorzugen.«
    Wellgunde lächelte wieder, und zwar derart betörend, daß Malcolm die Gesichtshaut zu brennen schien und er sich allmählich unwohl fühlte.
    »Ich glaube, ich nehme lieber einen von diesen Topfhandschuhen«, murmelte er.
    »Mit einer Katze drauf?«
    »Ja, bitte.«
    Das Mädchen wirkte gekränkt, als sie von Malcolm das Geld entgegennahm, und er fragte sich, ob er etwas Falsches gesagt hatte.
    »Falls Ihrer Mutter der Topfhandschuh nicht gefallen sollte, können Sie ihn jederzeit umtauschen«, sagte das Mädchen. »Das ist überhaupt kein Problem.«
    »Ich bin mir sicher, daß er ihr gefallen wird. Sie liebt Katzen genauso wie das Kochen.«
    »Na gut, dann auf Wiedersehen.«
    »Auf Wiedersehen.«
    Wellgunde sah ihm noch hinterher und runzelte die Stirn. »Ach, zum Kuckuck mit ihm!« murmelte sie vor sich hin.
    Sie lächelte den Laden an, und nur ihr zuliebe löste er sich in Luft auf. Dann begab sie sich ans Ufer des Tone und sprang anmutig in dessen braunfarbenes Wasser.
    Als gleich darauf eine Reihe silberner Luftblasen an die Oberfläche stieg, sagte eine alte Dame zu einer anderen: »Hast du das eben gesehen? So was sieht man heutzutage nur noch selten.«
     
    Malcolm wirkte etwas konfus, als er in die Hammet Street abbog. Er redete sich ein, daß es nichts Besonderes sei, wenn ein Mädchen, selbst ein hübsches, den Wunsch verspürte, einen Mann anzulächeln, der wie das Ebenbild von Siegfried dem Drachentöter aussah. Also war es letztendlich Siegfried und nicht er gewesen, den das Mädchen angelächelt hatte, so daß die ganze Angelegenheit letztendlich nichts mit ihm zu tun gehabt hatte. Außerdem diente dieses Lächeln wahrscheinlich allein der Umsatzsteigerung von Katzen-Ikonen, was ja auch auf bemerkenswerte Weise funktioniert hatte. Malcolm tastete nach dem Topfhandschuh in der Tasche, aber er schien nicht mehr da zu sein. Schade drum.
    An der Kreuzung Hammet Street und Magdalene Street gab es einen Naturkostladen, der gestern noch nicht dort gewesen war. Da war sich Malcolm absolut sicher, weil er direkt neben dem gestern noch unbebauten Grundstück, auf dem jetzt das Haus mit dem Laden stand, seinen Wagen geparkt hatte.
    Er stutzte und fragte sich laut: »Bin ich das etwa gewesen? Und wenn ja – wie?«
    Zwar kannte er das Lied über das Mädchen, das überall, wo es entlanggegangen war, Blumen und Bäume hinterließ, aber Blumen und Bäume sind etwas anderes als ein Naturkostladen. Entweder war das Haus ungeheuer schnell errichtet worden (was er nach seinen jüngsten Erfahrungen mit Maurern auf Combe Hall stark bezweifelte), oder es war aus dem Nichts entstanden, oder er litt an Halluzinationen. Schließlich überquerte er die Straße und betrat das Geschäft.
    »Guten Tag, kann ich Ihnen helfen?« wurde er von einem bezaubernd hübschen Mädchen begrüßt, das hinter dem Ladentisch saß.
    Wahrscheinlich war es das verführerische Lächeln der Verkäuferin, wodurch Malcolm endlich ein Licht aufging. »Warten Sie bitte noch einen Moment, ich habe draußen was vergessen«, sagte er und ging wieder hinaus. Nebenan gab es ein Möbelgeschäft mit einem großen Schaufenster. Glücklicherweise war die Straße menschenleer, und er konnte sich unbeobachtet in die Ebenbilder der drei

Weitere Kostenlose Bücher