Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
dabei um eins dieser Kunstgewerbegeschäfte, in denen Selbstgetöpfertes und folkloristische Kleidung feilgeboten wurden (daher auch der Name ›Wolle und Erde‹). Aber in aufstrebenden Städten kommen und gehen solche Läden wie Eintagsfliegen; und Taunton ist eine stark aufstrebende Stadt. Wie man Ihnen dort gern erzählen wird, ist Taunton längst kein Kuhdorf mehr, schließlich gibt es mittlerweile auch Pferde und Fahrräder …
Da Malcolm ganz genau wußte, daß es in einem solchen Geschäft garantiert nichts gab, was er sich kaufen wollte, öffnete er die Eingangstür, hinter der eine Kuhglocke hing, und trat ohne jede Neugier ein. Der Verkaufsraum war leer, wenn man davon absah, daß ein Geisterquartett Mozart spielte, eine große Katze auf einem Stapel indischer Baumwollhemden schlief und ein erstaunlich hübsches Mädchen mit roten Haaren hinter der Kasse saß. Kaum hatte er den Laden betreten, blickte das Mädchen von dem selbstverfaßten Gedicht auf, das es gerade in ein Notizbuch schrieb, auf dem eine stilisierte Katze abgebildet war.
Malcolm hatte stets die Ansicht vertreten, daß hübsche Mädchen einen eigentlich nicht anlachen dürften, es sei denn, sie wollten einem damit etwas Unverfängliches mitteilen, denn ansonsten würden sie sich damit nur einen unfairen Vorteil verschaffen. Jetzt verspürte er regelrecht eine Verpflichtung, etwas zu kaufen, und wahrscheinlich hatte der Besitzer aus demselben Grund ein hübsches Mädchen in den Laden gesetzt. Malcolm konnte das überhaupt nicht gutheißen, denn das war Ausbeutung übelster Sorte.
»Sie können sich gern alles ansehen«, ermunterte ihn das Mädchen freundlich.
Malcolm begab sich schnell in den hinteren Teil des Ladens und tat so, als sei er ungeheuer an Kerzen aus Bienenwachs interessiert. Obwohl er mit dem Rücken zu dem Mädchen stand, war er sicher, daß es noch immer zu ihm herübersah. Als einzige mögliche Erklärung fiel ihm dazu ein, daß er der schönste Mann der Welt war. Er mußte unwillkürlich grinsen, konnte es aber rasch wieder unterdrücken. Wie er sich selbst versicherte, bildete er sich das alles nur ein, und wenn nicht, dann war bestimmt ein Haken an der Sache. Er befand sich in Taunton und nicht in Hollywood.
Wellgunde ihrerseits war zutiefst bestürzt; entweder war mit ihrem Lächeln etwas schiefgegangen, seit sie es heute morgen zum letztenmal im Spiegel geprüft hatte, oder dieser junge Mann war immun dagegen, was wirklich ein Jammer gewesen wäre. Sie hatte sich die ganze Mühe gemacht, diesen Laden samt Inventar zu materialisieren, um den Inhaber des Rings irgendwo in Ruhe anlächeln zu können. Die Rheintöchter waren nämlich zu dem Schluß gekommen, ein Geschäft sei eine ideale Falle, um unvorsichtige Ringträger zu umgarnen. Vielleicht haben wir ihn wirklich unterschätzt, dachte Wellgunde. Als sie heute morgen gemeinsam darüber diskutiert hatten, war es ihnen wie ein leicht durchzuführender Plan vorgekommen. Nach allem, was sie über ihn erfahren hatten, war Ingolfs Nachfolger ein unterbelichteter, sentimentaler und leicht zu beeindruckender junger Mann, der sich wie eine Forelle, die nach einem Köder schnappt, automatisch in ein hübsches Mädchen verlieben würde, das ihn mit seinem Lächeln bezirzte. Der einzig strittige Punkt bei der Besprechung ihres Plans heute morgen war die Frage gewesen, wer von ihnen das zweifelhafte Vergnügen haben sollte, der Köder zu sein. Zunächst versuchten sie es mit Losen, aber Woglinde neigte nun einmal zum Betrügen. Sie warfen Münzen, aber Floßhilde zwinkerte jedesmal das Pennystück an, und es fiel stets zu ihren Gunsten. Deshalb entschieden sie sich schließlich zu einem Wettstreit: Diejenige, die den Ringträger als erste für sich gewänne, müßte die Sache auch zu Ende führen, aber die anderen würden sie dafür zum Essen ins Maxim’s einladen.
Um den Wettstreit fair zu gestalten, hatten sie im Zentrum von Taunton drei Läden materialisiert. Man konnte nämlich getrost davon ausgehen, daß es niemandem auffallen würde, wenn plötzlich mitten in der Stadt drei neue Geschäfte aus dem Nichts auftauchten – Taunton ist das Nichts. Also mußte sich der Ringträger nur noch entscheiden, welchen der drei Läden er zuerst aufsuchen wollte und welches von den drei Mädchen den ersten Versuch haben sollte.
Wellgunde runzelte die Stirn, sie mußte dringend irgend etwas unternehmen und fragte lieb und freundlich: »Suchen Sie etwas Bestimmtes?«
Draußen stand
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