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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Rheintöchter verwandeln. Zwei davon erkannte er sofort wieder. Versuchsweise ahmte er das typische Lächeln der Rheintöchter nach, und um sein Spiegelbild besser erkennen zu können, blickte er in Richtung einer Kommode. Sie schien kurz aufzuglühen, und gleich darauf verwandelte sich der Anstrich aus Polyurethanlack in eine glänzende Schellackpolitur.
    »Das erklärt ja einiges«, murmelte er vor sich hin und sah bewußt darüber hinweg, daß damit zwar das Lächeln, das man ihm geschenkt hatte, erklärbar war, nicht aber die Läden, die aus dem Nichts entstanden waren. Schließlich muß ich nur auf das Lächeln aufpassen, die Läden passen schon auf sich selbst auf, sagte er sich. Er hatte begriffen, daß die Rheintöchter als ursprüngliche Besitzerinnen des Goldes, aus dem der Ring gefertigt worden war, hinter ihm her waren und ihr Lächeln als Köder einsetzten, um ihn in sein Verhängnis zu stürzen. Natürlich würde ihm dieser Sturz versüßt werden, aber schließlich mußte er Rücksicht auf das Wohl der Menschheit nehmen.
    Anstatt sich auf den Heimweg zu machen, ging er jedoch in den Naturkostladen zurück. Da er nun wußte, daß es sich bei diesem Lächeln lediglich um einen weiteren Bestandteil dieses furchtbaren Spiels handelte, das das Leben mit ihm trieb, und nicht um aufrichtige Interessensbekundungen von hübschen Mädchen, hatte er das Gefühl, die Situation meistern zu können, zumal er einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Vorbesitzern des Nibelungenrings hatte: Er war weder eitel, noch hatte er eine hohe Meinung von sich selbst, was diese Geschöpfe ansonsten als Ausgangspunkte für ihre Angriffe gegen ihn hätten benutzen können. Ihm blieb eigentlich nichts anderes übrig, als mit den Rheintöchtern klarzukommen, bevor sie noch schwerere Geschütze als ihr entwaffnendes Lächeln gegen ihn auffahren würden.
    »Da sind Sie ja wieder!« begrüßte ihn Woglinde ein zweites Mal.
    »Und welche von den dreien sind Sie?« fragte er, wobei er ihr Lächeln erwiderte.
    Woglinde starrte ihn einen Augenblick lang verdutzt an, dann brach sie in Tränen aus und vergrub das Gesicht in den schmalen rosafarbenen Händen. Malcolm empfand unwillkürlich Mitleid; dann erinnerte er sich an Hagen, Alberichs Sohn, den die drei Rheintöchter in Begleitung lieblichster Gesänge in die Fluten des Rheins gezogen hatten.
    »Wußte ich’s doch!« grummelte Malcolm, wobei er versuchte, sich möglichst unfreundlich anzuhören (aber er hatte den Schneid verloren). »Also, welche von den dreien sind Sie nun?«
    »Woglinde«, schluchzte das Mädchen. »Und jetzt sind Sie bestimmt sauer auf mich.«
    Die Rheintochter schniefte, dann blickte sie zornig auf, strahlte allerdings kurz darauf wie ein Suchscheinwerfer. In Malcolms Knopfloch tauchte eine Nelke auf, aber auch dadurch ließ er sich in seiner Entschlossenheit nicht beirren.
    »Hören Sie auf mit diesem Unsinn!«
    »Ich habe schon verstanden!« fauchte Woglinde ihn an, und Malcolm entdeckte in ihren dunkelblauen Augen keine einzige Träne. Er sah alles mögliche darin, nur keine Tränen. Was er sah, war eher bedrohlich, und deshalb beachtete er es lieber erst gar nicht.
    »Wo ist dieses Geschäft hergekommen?« wollte er wissen.
    »Das sage ich nicht«, antwortete Woglinde, wobei sie neckisch die Stirn runzelte. »Sie sind garstig, und ich verachte Sie.«
    »Heutzutage reden Mädchen aber nicht mehr so. Vor tausend Jahren vielleicht, aber doch nicht in den neunziger Jahren.«
    »Dieses Mädchen redet aber so«, widersprach Woglinde. »Das gehört nun mal zu meinem Charme. Sie haben doch ihr ganzes Leben lang ein nettes, altmodisches Mädchen gesucht, und jetzt haben Sie eins gefunden.«
    So vorgetragen, war Woglindes Aussage (begleitet vom charmantesten Lächeln aller Zeiten) irgendwie aufregend, und Malcolm blickte verlegen auf eine Auslage biologisch angebauter Hülsenfrüchte.
    »Sie haben sich sehr viel Mühe mit dem Laden gegeben«, bemerkte er beiläufig.
    »Ich habe eine Ewigkeit gebraucht, alles eigens für Sie so nett herzurichten«, säuselte Woglinde.
    »Ich mag keine Naturkost. Erst recht keinen ungeschälten Reis.«
    »Ach, das tut mir aber leid! Hätte ich das gewußt, hätte ich Ihnen einen Fish’n’Chips-Laden hingestellt«, entgegnete Woglinde zickig. Dann riß sich wieder zusammen; sie durfte sich nicht so gehenlassen, wenn sie ihr Ziel vor Augen behalten wollte. »Falls Sie möchten, kann ich das aber gern nachholen.«
    »An Ihrer Stelle

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