Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
sollte er sich nicht, wie alle anderen auch, selbst der schlimmste Feind sein?«
     
    Malcolm blickte der schwarzen Limousine hinterher und schenkte sich dann einen Whisky ein. Das Gespräch mit Loge hatte ihn ziemlich verunsichert; schließlich hatte er zum erstenmal mit einem Gott gesprochen und hätte vielleicht mehr Respekt zeigen sollen. Als er etwas später durch den Garten spazierte, flatterte eine Amsel vom Himmel herab und ließ sich neben ihn auf einem Rosenbusch nieder.
    »Hast du hier irgendwo eine weiße Motte mit hellblauen Flecken auf den Flügeln gesehen?« fragte der Vogel.
    »Nein, aber ich habe ein paar Erdnüsse, wenn du Hunger hast«, antwortete Malcolm.
    »Erdnüsse kriegt man überall, ich wollte aber diese ganz bestimmte Motte fangen. Wir haben nämlich morgen ein paar Gäste zum Abendessen.«
    »Dann noch viel Erfolg bei der Jagd. Versuch’s doch mal da drüben bei den Buddlejas«, schlug Malcolm vor.
    Der Vogel legte den Kopf zur Seite und sagte: »Gute Idee! Danke. Ach ja, und noch etwas …«
    »Was denn?«
    »Was immer du vorhast, unterschätz Wotan nicht! Es gibt verschiedene Möglichkeiten, die Katze aus dem Sack zu lassen.«
    »Wie meinst du das?«
    Der Vogel schlug mit den Flügeln. »Frag mich nicht, ich bin nur ein Vogel. Nebenbei bemerkt ist das mein Lieblingsspruch.«
    »Ich hoffe, du findest die Motte.«
    »Ich auch. Gute Nacht«, verabschiedete sich die Amsel.

9. KAPITEL
     
    Floßhilde war stets hervorragend gekleidet. Schon seit Anbeginn der Zeit richtete sie sich nach der Mode, und ihre Garderobe nahm dementsprechend den gesamten Grund des Rheins zwischen Andernach und Koblenz ein. Doch sie folgte der Mode nicht nur, sie bestimmte sie sogar. Schon bei Anbruch der Eisenzeit trug sie Broschen in Form einer Acht, und ihrer Pionierarbeit verdankt die europäische Damenwelt des sechzehnten Jahrhunderts das Korsett. Im Vergleich dazu sah es nach Floßhildes Dafürhalten im zwanzigsten Jahrhundert düster aus, und das war noch milde ausgedrückt. Für heute hatte sie sich jedenfalls einen raffinierten zitronengelben Pullover und eine schwarzweiß gestreifte Hose herausgesucht, die merkwürdigerweise schon zur Blüte der Hallstattkultur in der älteren Eisenzeit auf dem neuesten Stand der Mode gewesen war. Sie hatte im Lauf der Jahrhunderte die Erfahrung gemacht, daß man Kleidungsstücke nur lange genug aufheben mußte, bis sie irgendwann wieder modern wurden.
    Um ihrem Erscheinungsbild den letzten Schliff zu geben, schmückte Floßhilde sich noch mit Snoopy-Ohrringen und schob sich einen Armreif aus Bernstein über das schlanke Handgelenk. Der Reif war ihr einst vom ersten König der Langobarden geschenkt worden und sah ziemlich genau wie Hornimitat aus Plastik aus. So, das ist genug, entschied sie schließlich.
    »Entschuldige, daß ich mich verspätet habe«, bat sie Malcolm, als sie sich in Carey’s neben ihn setzte.
    »Hast du ja gar nicht«, erwiderte er. »Du bist pünktlich wie die Maurer.«
    »Wirklich?« Floßhilde wirkte aufrichtig überrascht. Normalerweise kam sie zu allem, besonders zu Verabredungen und Rendezvous, mindestens fünf Minuten zu spät. Wenn sie sich im Unterbewußtsein zur Pünktlichkeit entschlossen haben sollte, war das wirklich ein Grund zur Sorge …
    »Ich hatte gestern Besuch von Loge«, berichtete Malcolm.
    »Loge?« Floßhilde riß die blauen Augen weit auf. »Und? Was ist passiert?«
    »Er hat versucht, mich einzuschüchtern. Aber ich bin ihn schnell wieder losgeworden«, antwortete Malcolm etwas selbstgefällig. »Wenn man ihn erst mal etwas näher kennengelernt hat, ist er eigentlich gar nicht mehr so schlimm.«
    Floßhilde wollte darauf etwas erwidern, entschied sich dann aber doch aus irgendeinem Grund dagegen und sagte lächelnd: »Von Loge kann ich eine lustige Geschichte erzählen.«
    »Meinst du die über den Walhalla-Vertrag?«
    »Ja, genau«, antwortete Floßhilde. »Ich bin sehr gut im Geschichtenerzählen. Hast du schon mal die von Hagen und dem Ochsenhorn gehört?«
    Der Name Hagen rief bei Malcolm ein gewisses Unbehagen hervor, und er fragte sich, warum Floßhilde ihn wohl erwähnt hatte. Vielleicht war das so etwas wie eine Warnung, und unwillkürlich legte er die linke Hand auf die rechte, um den Ring zu verbergen.
    »Schieß los!« forderte er sie schließlich leicht nervös auf.
    Während Floßhilde die Geschichte erzählte (die tatsächlich sehr komisch war), fiel Malcolm auf, daß er die Rheintochter die ganze Zeit sehr

Weitere Kostenlose Bücher