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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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aufmerksam betrachtete. Das hatte er vorher natürlich auch schon getan. Schließlich bot sie wirklich einen überaus sehenswerten Anblick, und nachdem er erst einmal eingesehen hatte, daß in diesem Genuß durchaus eine Zukunft lag, war das eingehende Studium von Floßhildes Gestalt zu einer seiner Lieblingsbeschäftigungen geworden. Doch im Moment suchte er etwas anderes. Immerhin war sie eine von ›denen‹, und er tat gut daran, das nicht zu vergessen. Um sich zu beruhigen, blätterte er kurz ihr Unterbewußtsein durch und stellte dort zu seiner Freude einige Entwicklungen fest. Zwar ärgerte es ihn, daß er seine eigenen verborgenen Gedanken nicht lesen konnte, aber zumindest hatte er eine ungefähre Vorstellung davon, wie sie aussahen, wenigstens zu diesem Thema. In seinem bisherigen Leben hatte er nur sehr wenige Mädchen kennengelernt, von denen die meisten obendrein auch noch Freundinnen seiner Schwester Bridget gewesen waren. Deshalb hatte er immer den Hang gehabt, sich nur in Mädchen zu verlieben, die er nicht kannte, nur um auf Nummer Sicher zu gehen. Da auf diese Weise nie die Gefahr bestand, daß seine Liebe erwidert wurde, war das letztendlich ganz und gar seine eigene Angelegenheit und ging niemanden etwas an. Erst nach der Bekanntschaft mit Floßhilde war ihm klargeworden, daß sein bisheriges Verhalten reichlich albern gewesen war. Zudem stellte er mit Erleichterung fest, daß die Rheintochter in ihm nicht die übliche romantische Benommenheit weckte, die er nur zu gut kannte. Nachdem er erst einmal den angenehmen Schreck über Floßhildes Gedanken verdaut und sich selbst bestätigt hatte, daß sie tatsächlich ihn meinte und nicht irgendeinen anderen Malcolm Fisher, dachte er sorgfältig darüber nach, ob er Floßhilde nun mochte oder nicht. Natürlich mochte er sie, aber eben nicht nur deshalb, weil sie einfach da war, sondern weil er sie wirklich nett fand.
    Malcolm hob vorsichtig die linke Hand und ergriff die Gabel. Der Ring war jetzt wieder sichtbar, doch Floßhilde schien ihn nicht einmal eines Blicks zu würdigen. Plötzlich kam Malcolm ein furchtbarer Gedanke. Was sollte er denn – bei den Schlüssen, zu denen er eben gelangt war – eigentlich als nächstes tun?
     
    Floßhilde schien ziemlich verärgert gewesen zu sein, als ihr Malcolm mitgeteilt hatte, er sei zu seinem Bedauern für den Rest des Tages beschäftigt. Doch entsprach diese Behauptung teilweise der Wahrheit: Er hatte nämlich morgens einen Brief von einer gewissen L. Walker vom Lime Place in Bristol erhalten, und diese L. Walker wollte anscheinend nach Combe Hall kommen, um die Bibliothek zu katalogisieren.
    Malcolm hatte die Bibliothek, die riesengroß war und nicht ein einziges lustiges Buch enthielt, zusammen mit dem Herrenhaus erworben und bislang die Finger davon gelassen. Bücher, so hatte ihm der Grundstücksmakler erklärt, würden ganz hervorragend isolieren, und da die Heizkosten auf jeden Fall beträchtlich seien, könne er die Bücher gleich in den Regalen stehen lassen, selbst wenn er nie die Absicht habe, sie zu lesen. Seit seinem Einzug hatte ihm die englische Rose jedoch schwer zugesetzt, die Bibliothek endlich katalogisieren zu lassen, damit er auf einen Blick erkennen könne, was ihm alles entgehe. Malcolm leistete dieser Überzeugungsarbeit zwar stets hartnäckig Widerstand, doch nun hatte seine Sekretärin, so vermutete er, kurz vor Urlaubsantritt einfach diese L. Walker damit beauftragt und ihn absichtlich nicht davon unterrichtet.
    Er fuhr nach Combe Hall zurück und ging ins Haus. Die Haushälterin lag schon auf der Lauer, weshalb Malcolm versucht war, sich schnell unsichtbar zu machen, bevor sie ihn zum Kauf eines neuen Staubsaugers überreden konnte. Schon seit Wochen lag sie ihm damit in den Ohren, obwohl Malcolm sehr gut wußte, daß bereits vier Exemplare dieser Gerätegattung im Haus vorhanden waren – vielleicht wollte sie sich ja eine Sammlung anlegen. Schließlich hatte er doch ein schlechtes Gewissen, sich vor Menschen zu verstecken, die immerhin seine Angestellten waren und nur ihre Arbeit erledigten, und stand deshalb seinen Mann wie einst Leonidas an den Thermopylen.
    »Da ist jemand, der Sie sprechen will«, unterrichtete ihn die Haushälterin.
    »Und wer?«
    »Es geht um die Bibliothek«, antwortete sie. »Die Dame kommt aus Bristol.«
    Bei ihr klang das, als läge Bristol irgendwo zwischen Saturn und Pluto. Doch für Malcolm, der, so kam es ihm jedenfalls vor, schon seit einer

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