Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
ich, daß Wotan in einer anderen Welt lebt.«
»Wahrscheinlich ist es nicht leicht, für ihn zu arbeiten, oder? Er scheint ein schwieriger Mann zu sein«, merkte Malcolm an.
»Schwierig?« Loge verdrehte die Augen und blickte zur Decke. »Er ist unmöglich!«
»Nach meinen Informationen sind Sie aber doch eigentlich der Gescheitere, oder?«
»Das bin ich auch gewesen, damals, als das Leben noch sehr viel einfacher zu meistern war. Aber ich fürchte, ich bin ein Opfer des Fortschritts, und Wotan ist grundsätzlich hinterhältiger als ich. Außerdem hat er mir nie den Fehler verziehen, den ich damals begangen habe, als ich den Vertrag für Walhalla unterzeichnete.«
»Ist das ein Fehler gewesen?«
Loge nickte niedergeschlagen. »O ja, das war ein Fehler, und er hat es mir nie vergessen. Ein Flüchtigkeitsfehler, und Sie sehen ja, was daraus geworden ist.«
»Um was für einen Fehler handelte es sich denn dabei?« erkundigte sich Malcolm aus reiner Neugier.
Loge seufzte. »Nun, ich kann es Ihnen ruhig sagen, früher oder später werden Sie sowieso dahinterkommen. Der Vertrag mit den Riesen besagte, daß die beiden uns die Burg bauen und als Gegenleistung Handelskonzessionen für den Kontinent Mittelerde erhalten. Das deutsche Wort für ›Free Port‹ lautet ›Freihafen‹. Aber das Problem war« – Loge errötete selbst noch nach über tausend Jahren –, »daß meine Handschrift nie die beste gewesen ist, und was ich damals geschrieben habe, sah eher wie ›Freia haben‹ als wie ›Freihafen‹ aus. Und das hätte bedeutet, daß die Riesen die Göttin Freia als Preis für diese bekloppte Burg erhalten. Ich weiß gar nicht, was es da zu lachen gibt, Mister Fisher. So ein Fehler hätte jedem passieren können.«
Trotz seiner Schadenfreude konnte Malcolm Loges Wut durchaus nachempfinden, zumal seine eigene Handschrift auch nicht gerade die beste war. »Aber konnten Sie den anderen denn nicht erklären, welcher Fehler Ihnen unterlaufen war?« fragte er.
»Natürlich habe ich das versucht, aber mir hört ja niemand zu. Außerdem hatte sich Wotan gerade mit Freia in der Wolle gehabt und war heilfroh, sie loszuwerden. Übrigens hat er sich mit seinen Verwandten ständig in der Wolle.«
Auch das konnte Malcolm nachempfinden. »Wenigstens verstehe ich jetzt das Zustandekommen dieses Handels. So, wie er in den Büchern erklärt wird, sah ich nämlich keinen Sinn darin.«
»Nun, jetzt wissen Sie wenigstens Bescheid.« Loge wirkte sehr niedergeschlagen. »Nur weil ich diesen Ringhandel vorgeschlagen habe, hat mich Wotan nicht auf der Stelle in irgend etwas Feuchtes oder Nasses verwandelt. Letztendlich ging aber auch dieser Schuß nach hinten los – nun, Sie kennen ja die ganze Geschichte –, und seither stehe ich immer kurz vor einer Metamorphose.«
Malcolm verspürte ein merkwürdiges Verantwortungsbewußtsein, und seine Stimme nahm einen fast väterlichen Tonfall an. »Keine Sorge, ich werde es nicht zulassen, daß er Sie verwandelt.«
»Und wie wollen Sie ihn davon abhalten?«
»Das weiß ich selbst noch nicht so genau«, gestand Malcolm. »Jedenfalls kann er seinen Einfluß nicht mehr so geltend machen wie früher. Er muß der Tatsache ins Auge sehen, daß seine große Zeit vorbei ist.«
Loge zog die Augenbrauen hoch. »Verstehen Sie mich jetzt nicht falsch, aber für jemanden, der sich noch vor wenigen Minuten vor einem Zollfahnder gefürchtet hat, hören Sie sich bemerkenswert selbstbewußt an.«
»Ich weiß, aber da ging es um das wahre Leben, wohingegen das hier … Nun, auch das ist das wahre Leben, aber trotzdem ist es irgendwie anders.« Malcolm schwieg, während er versuchte, sich über etwas klarzuwerden. »Wie Sie wissen, bewältigen einige Leute gewisse Aufgaben so geschickt, wie sie bei anderen jämmerlich versagen. Zum Beispiel beweisen einige Leute an der Börse oder sonstwo großes Talent, können aber keine Zündkerzen wechseln oder ein Hemd bügeln. Vielleicht bin ich genauso. Möglicherweise eigne ich mich zu nichts, bin aber genau der Richtige, um als Herr des Rings zu fungieren. Ich weiß, wie ich damit umgehen muß, jedenfalls mehr oder weniger, und nur ich eigne mich dazu, und ich tue es sogar gern.«
»Wirklich?«
»So gern nun auch wieder nicht, aber es macht mich weniger unglücklich, als wenn ich irgend etwas anderes tun müßte. Außerdem erledige ich meine Aufgabe gut und komme zu nichts anderem mehr. Das ist so wie bei Leuten, die von Natur aus eine gute Stimme haben,
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