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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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erwiderte Floßhilde kühl.
    »Ach, Liebe muß was Herrliches sein«, seufzte Wellgunde. »Ich bin schon ganz grün vor Neid.«
    »Ich habe mit Liebe und solchen Sachen überhaupt nichts am Hut«, zischte Floßhilde ihre Schwester an. »Aber ich kann gut verstehen, daß du neidisch bist.«
    Wellgunde holte einen Spiegel hervor, prüfte liebevoll ihr Erscheinungsbild und sagte: »Schließlich ist man nur einmal jung. Nur zu, amüsier dich gut! Um uns brauchst du dir keine Gedanken zu machen.«
    Floßhilde runzelte die Stirn. Schwestern können manchmal äußerst lästig sein.
    »Mach dir gar keine Sorgen darum, daß wir den Ring nie wiederkriegen, wenn du mit deinem Ringträger abschwirrst. Denk überhaupt nicht daran, daß der Ring alles ist, was wir besitzen. Schließlich haben wir keine solchen feschen Freunde wie du, die sich als andere Leute verkleiden müssen, wenn sie etwas erreichen wollen.«
    »Da kannst du ganz beruhigt sein, an so was denke ich gar nicht.«
    »Wir sind immer noch deine Schwestern und wollen dir nicht eine Sekunde lang im Weg stehen. Wenn du glaubst, daß es das wert ist, dann mach weiter. Also, da du heute nachmittag nichts vorhast, könntest du im Flußbett mal ein bißchen Staub wischen. Damit warst du eigentlich schon gestern dran, aber da bist du ja nicht dagewesen.«
    »Ach, hau endlich ab!« raunzte Floßhilde ihre Schwester böse an.
    »Gut, ich hau ja schon ab«, erwiderte Wellgunde ruhig. »Ich habe nur mal kurz vorbeigeschaut, um dir zu sagen, daß wir am Arbeiten sind, während du hier Trübsal bläst.«
    »Ihr habt doch gesagt, ihr wollt ihn in Ruhe lassen.«
    »Wir sind deinem lieben Schatz nicht hinterhergelaufen, falls du das meinst. Wir haben ein bißchen mit Gedanke und Gedächtnis geplaudert.«
    »Wie aufregend!«
    »Ja, ziemlich. Die beiden haben anscheinend den ganzen Tag lang Combe Hall beobachtet. Dein Freund hat einen unheimlich langen Plausch mit einem ausgesprochen hübsch aussehenden Mädchen gehalten.«
    Durch diese Nachricht wurden sämtliche Zweifel, die Floßhilde möglicherweise immer noch an ihren Gefühlen für Malcolm hegte, endgültig zerstreut, und sie wurde so weiß wie die Wand.
    »Natürlich konnten die beiden nicht seine Gedanken lesen, weil er ja der Ringträger ist, und deshalb sind sie sich nicht hundertprozentig sicher. Aber wenn man die Raben so reden hört, braucht man gar keine Gedanken lesen zu können, um zu sehen, was dein Freund von seinem neuen Schwarm hält. Es stünde ihm deutlich ins Gesicht geschrieben, sagen sie nämlich.«
    »Wie schön für ihn«, entgegnete Floßhilde mit sehr leiser Stimme.
    »Na ja«, fuhr Wellgunde fort, »für uns ist das nicht so schön, oder? Was ist, wenn er ihr den Ring gibt? Was würde dann aus uns allen?«
    Floßhilde sagte etwas zutiefst Respektloses über den Ring, sprang in den Tone und ließ die äußerst selbstzufrieden wirkende Wellgunde allein am Ufer zurück. Vielleicht, grübelte die älteste der Rheintöchter nach, hatte sie ihrer Schwester nicht die ganze Wahrheit gesagt, aber andererseits war Floßhilde ja beleidigt im Fluß verschwunden, ohne ihr die Gelegenheit dazu zu geben. Also konnte sie ein reines Gewissen haben …
     
    Nachdem Linda den ganzen Nachmittag über schwere Bücher herumgeschleppt hatte, wollte sie sich bestimmt gern ein wenig ausruhen und vielleicht sogar einen Drink nehmen, dachte sich Malcolm. Er hätte ihr gern bei der Arbeit geholfen, aber das wäre zu offensichtlich gewesen, denn man kauft sich ja schließlich auch keinen Hund, um dann selbst zu bellen. Außerdem, wenn er schlagartig aus dem Nichts aufgetaucht wäre und sie gefragt hätte: ›Darf ich Ihnen das abnehmen?‹, wäre sie womöglich vor Schreck in Ohnmacht gefallen – ein weiteres der vielen Probleme beim Umgang mit echten, lebenden Menschen.
    Linda war bestimmt gewissenhaft, und Malcolm wußte das auch zu schätzen, aber nun hatte sie doch lange genug gearbeitet. Als sie schließlich im Begriff zu sein schien, für heute Feierabend zu machen, ließ sich Malcolm vom Tarnhelm zurück auf die Treppe bringen und fragte sich, was in aller Welt er bloß als nächstes tun sollte. Stunden schienen zu vergehen, bis sich endlich die Bibliothekstür öffnete – und Malcolm war noch immer nichts eingefallen. Schnell stand er auf und versuchte den Eindruck zu erwecken, als käme er zufällig gerade vorbei.
    »Na, fertig für heute?« fragte er scheinheilig.
    »Ja«, antwortete sie und lächelte ihn erneut an.

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