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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

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Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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vor sich hin. »Also, so etwas!«
    Daraufhin ging er ins Bett.
     
    Die beiden Raben stießen im Gleitflug herab und ließen sich auf dem Dach des Mercedes nieder. Wotan steckte den Kopf aus dem Fenster und fragte: »Also, was ist?«
    »Sie sind ins Bett gegangen«, meldete Gedanke.
    »Getrennt«, fügte Gedächtnis hinzu.
    »Aber keine Sorge«, fuhr Gedanke fort, »sie macht das gut.«
    Wotan runzelte die Stirn. »Aber er kann doch ihre Gedanken lesen«, gab er zu bedenken. »Er guckt ihr einfach in den Kopf, und schon ist alles aus. Der schmeißt sie auf der Stelle so hochkant raus, daß sie die ganze Auffahrt zum Haus runterrutscht.«
    Gedächtnis kicherte in sich hinein. »In der Hinsicht würde ich mir keine Sorgen machen«, krächzte er. »Der Typ ist ihr in die Falle gegangen, und zwar kopfüber.«
    »Und wenn er sie rausschmeißt«, erklärte sein Gefährte, »macht er die Sache für sich selbst nur noch schlimmer. Ich habe nämlich auch einen kurzen Blick auf ihre Gedanken riskiert.«
    »Oh!« Wotan war ganz verdattert. »Willst du etwa damit sagen, daß er ihr gefällt?«
    »Tja, üble Sache«, entgegnete Gedanke. »Man sollte es wirklich nicht glauben.«
    »O Mann! Das ist ja toll!« rief Wotan entrüstet. »Jetzt kriege ich das verdammte Ding nie wieder zurück.«
    »Immer mit der Ruhe«, beschwichtigte Gedächtnis. »Du kennst sie doch. Pflicht steht für sie an erster Stelle, selbst wenn sie dafür den Mann verraten muß, den sie wirklich liebt.«
    »Erst recht, wenn sie dafür den Mann verraten muß, den sie liebt«, korrigierte Gedanke seinen Gefährten. »Das Mädchen geht schließlich ganz nach dem Vater.«
    Dem konnte Wotan nur zustimmen. Von seinen acht überlebenden Töchtern ähnelte die Walküre Ortlinde mit ihrer Fähigkeit zur Selbstquälerei ihrem Vater am meisten. Sie würde sogar einen Heidenspaß daran haben. Aber vor allem würde sie es genießen, ihrem Vater hinterher die Schuld in die Schuhe zu schieben.
    »Wir haben’s geschafft!« rief Wotan.

10. KAPITEL
     
    Alberich konnte Flugreisen nicht ausstehen. Zum Teil war dafür die natürliche Voreingenommenheit eines Wesens verantwortlich, das den größten Teil seines Leben unter der Erde verbracht hatte, zum Teil lag es aber auch am Essen, das auf kleinen Plastiktabletts mit Vertiefungen für Ketchup serviert wurde und von dem Alberich jedesmal eine heftige Magenverstimmung bekam. Aber er war Geschäftsmann, und Geschäftsleute müssen nun einmal per Flugzeug reisen. Da bei seiner Suche nach dem Ring sowieso keinerlei Aussicht bestand, Fortschritte zu erzielen, hatte Alberich gedacht, er könne ebensogut für eine Woche nach Deutschland zurückfliegen, um einmal nachsehen, was seine Geschäftspartner im Ingenieurbüro für Hüttenbau so trieben. Die Arbeit selbst interessierte ihn zwar überhaupt nicht, doch hatte er durch seine Firma immerhin Brot, auf das er sogar Butter streichen konnte – auch wenn ihn die Einkünfte nicht ganz über Wasser hielten, so hatten sie es ihm aber wenigstens ermöglicht, sich, bildlich gesprochen, wenigstens einen Schnorchel leisten zu können.
    Wie es der Zufall wollte, hatte Alberich einen Fensterplatz bekommen, und er ließ den Blick ziellos über die Welt schweifen, die von Rechts wegen eigentlich hätte ihm gehören müssen. Hätte er bei ihrem Lauf ein Mitspracherecht gehabt, gäbe es heute auf jeden Fall weniger Städte und mehr Wälder. Er wandte den Blick wieder vom Fenster ab und überließ sich seinen Gedanken.
    Irgend etwas klopfte gegen das Fenster. Alberich sah durch die Scheibe hinaus und erblickte einen leicht durchnäßten und schmutzigen Raben, der mit dem Schnabel gegen das dicke Acrylglas hämmerte. Ein zweiter, wild mit den Flügeln schlagender Rabe versuchte, gleichzeitig in der Luft zu stehen und mit Schallgeschwindigkeit zu fliegen.
    »Was willst du?« fragte Alberich mit überdeutlichen Lippenbewegungen durch das Fenster hindurch.
    Der Rabe hackte unentwegt energisch auf das Acrylglas ein, und Alberich wurde allmählich nervös. Falls es der dämliche Vogel schaffen sollte, das Glas zu zerbrechen, würde er vom Luftsog glatt aus dem Flugzeug gerissen werden. »Hau endlich ab!« rief er dem Raben unter starkem Einsatz der Mundmuskulatur zu und verstärkte diese Aufforderung noch mit wegscheuchenden Gesten der Finger.
    »Schon gut«, krächzte Gedächtnis durch den brausenden Wind. »Er kann kein einziges Wort hören.«
    Aber Gedanke war die Hartnäckigkeit selbst. Mit dem

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