Wir haben Sie irgendwie größer erwartet
Dieses Lächeln – diesmal nach Art von ›Wenn wir doch nur … aber nein‹ – fegte sämtliche Gedanken und Vokabeln aus Malcolms Kopf. Er stand regungslos da und glotzte sie an, als wäre sie diejenige, die gerade aus dem Nichts aufgetaucht war.
»Macht es Ihnen auch bestimmt keine Umstände, wenn ich hier im Haus wohne?« fragte sie.
»Nein, selbstverständlich nicht. Ich habe der Haushälterin schon gesagt, daß sie im George and Dragon anrufen soll.«
»Oh, vielen Dank auch.«
»Ihre Koffer habe ich bereits aufs Zimmer gebracht«, fuhr Malcolm in einem Ton fort, als hätte er mit dieser Gefälligkeit etwas Ähnliches geleistet, wie sie vor dem Ertrinken zu retten. »Außerdem habe ich der Köchin mitgeteilt, daß Sie hier zu Abend essen werden … falls Ihnen das recht ist, meine ich.«
Auf diese Art hatte er ihr eigentlich nicht nahelegen wollen, mit ihm gemeinsam zu essen. Im Grunde sollte das ein ganz beiläufiger Vorschlag sein. Aber er wollte in seinem Leben schon viele Dinge haben und hatte immer nur sehr wenige bekommen.
Linda schien sich an seiner verunglückten Formulierung jedoch nicht zu stören und fragte nur: »Macht es Ihnen auch bestimmt nichts aus?«
Malcolm spürte, wie sein sowieso schon rasender Puls noch zusätzlich von einem ganz kurzen Anfall von Ungeduld beschleunigt wurde, der aber schnell wieder vorüber war.
»Es ist bestimmt schön, eine Köchin zu haben«, bemerkte Linda.
Malcolm hielt es für nötig, sich gegen den Vorwurf der Genußsucht zu verteidigen, und entgegnete: »Ich bin leider ein furchtbarer Koch. Außerdem gehörte die Köchin sozusagen zum Hausinventar.«
Linda schwieg, und Malcolm zwang sich, noch ein wenig weiterzureden, indem er die erstbesten Wörter, die ihm in den Sinn kamen, zu einem mehr oder weniger aussagekräftigen Satz zusammenfügte.
»Sie wissen ja, wie das ist«, faselte er, »diese riesigen Häuser.«
Das war natürlich kompletter Blödsinn, aber Linda schien das gar nicht aufzufallen. »Ja«, erwiderte sie, »wir haben auch immer in einem riesengroßen alten Haus gewohnt. Das war furchtbar schwierig sauberzuhalten, und dann diese Heizkosten …«
Anscheinend war sie nicht gewillt, diesen Punkt weiter auszuführen. Schweigend gingen die beiden weiter. Malcolm hatte zwar nicht die blasseste Ahnung, wohin ihr Weg sie führte, aber das schien ihm ziemlich egal zu sein.
»War es denn so groß wie das hier? Ihr Haus, meine ich.« Noch eine solche Frage, dachte Malcolm, und ich beiße mir die Zunge ab.
»Ja«, antwortete Linda. »Das Haus hat mich und meine Schwestern ganz schön auf Trab gehalten.«
»Ach, Sie haben Schwestern?« fragte Malcolm, als sei diese Mitteilung die interessanteste Neuigkeit, die er je gehört hatte.
»Acht«, erwiderte sie. »Ich habe eine große Familie. Macht es Ihnen auch bestimmt nichts aus, wenn ich zum Essen bleibe? Ich meine, Sie erwarten hoffentlich keine Gäste oder so was?«
»Nein, wirklich nicht«, beruhigte Malcolm sie. »Wollen wir uns in den Salon setzen?«
Linda schwieg, als dächte sie über sein Angebot genau nach, und antwortete schließlich mit Ja.
Erst jetzt fiel Malcolm ein, daß er noch gar nicht ihre Gedanken gelesen hatte, um herauszufinden, ob sie vielleicht seinen eigenen ähnelten, und sei es auch noch so entfernt. Doch wie er feststellte, wollte er das auch gar nicht. Das wäre ihm irgendwie unanständig vorgekommen, denn Linda war schließlich keine Göttin oder Rheintochter, sondern einfach ein Mensch. Außerdem, wenn sie tatsächlich etwas anderes dachte wie er, wollte er sowieso nichts davon wissen.
»Sie sprechen übrigens sehr gut englisch«, lobte ihn Linda, als Malcolm schließlich doch noch den Salon entdeckte.
»Danke schön«, entgegnete Malcolm tief bewegt und konnte sich gerade noch zurückhalten, das Kompliment zurückzugeben. »Ich bin in England zur Schule gegangen«, erklärte er wahrheitsgemäß. »Darf ich Ihnen was zu trinken anbieten?«
»Nein danke«, lehnte Linda ab, während sie verlegen ihre Füße betrachtete.
»Wirklich nicht?«
»Na ja, wenn es Ihnen wirklich nichts …«
Malcolm machte es wirklich nichts aus, aber seiner Meinung nach war es vollkommen überflüssig, das zu erwähnen. »Was möchten Sie denn?«
»Einen kleinen Sherry, bitte.«
Malcolm schenkte einen kleinen Sherry ein – einen sehr kleinen, wie sich herausstellte, denn er wollte bei Linda nicht den Eindruck erwecken, er versuche, sie betrunken zu machen. »Reicht das?« fragte
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