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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Gottheiten – Donnergeister, Flußgeister, Wolkenhirten, Walküren, Nornen, Nixen, Nymphen, Riesen und Geistererscheinungen – ihre Anweisungen für die kommenden sieben Tage und haben zudem die Möglichkeit, Wotan von allen Angelegenheiten zu unterrichten, die ihrer Ansicht nach ein Handeln des Herrn und Königs der Götter und Menschen erfordern. Außerdem hält man eine allgemeine Besprechung über die zukünftige Strategie ab und erarbeitet eine langfristige Wettervorhersage.
    Loge hatte als Schriftführer der Gesellschaft die wenig beneidenswerte Aufgabe, bei jeder Versammlung das Protokoll zu führen und die Tagesordnung zu verlesen. Auf der Versammlung, die unmittelbar stattfand, nachdem der Ringträger der Walküre Ortlinde in die Falle gegangen war, sah sich Loge gezwungen, den gesamten Ablauf umzubauen, um genügend Zeit für eine gründliche Besprechung der Angelegenheit zu schaffen. Allerdings mußte er gleich darauf feststellen, daß die nun folgende Diskussion viel früher als erwartet abgeschlossen war. Die Gesellschaft sprach Ortlinde und Wotan ihren Dank aus, was ordnungsgemäß im Protokoll vermerkt wurde, und Waltraute erkundigte sich, wie lange Ortlinde vermutlich von zu Hause weg sein würde und wer in der Zwischenzeit Ortlindes Teil der Hausarbeit übernehmen sollte. Loge war nun genötigt, zum nächsten Tagesordnungspunkt überzugehen, obwohl von der veranschlagten Zeit noch weit über eine Stunde übrig war.
    »Ich möchte den Vorsitzenden auf die Tatsache aufmerksam machen, daß die Glühbirne über dem Treppenabsatz im dritten Stock des Haupttreppenhauses von Walhalla schon wieder durchgebrannt ist, und ihn hiermit gleichzeitig ersuchen, den Leuchtkörper unverzüglich auszutauschen, bevor noch jemand stolpert und sich den Hals bricht«, beantragte Schwertleite.
    »Das ist nicht halb so gefährlich wie der Teppich auf der Hintertreppe«, protestierte Grimgerde. »Ich habe dich schon tausendmal darum gebeten, ihn ordentlich festzunageln, aber mir hört ja nie jemand zu.«
    Loge schrieb wie ein Wilder, denn leider mußten sämtliche Versammlungsprotokolle in Runen festgehalten werden, und die ließen sich nicht so schnell zu Papier bringen.
    »Dürfte ich vielleicht darauf hinweisen«, rief Wotan mit erhobener Stimme, wodurch er sich energisch Gehör zu verschaffen versuchte, »daß diese Versammlung weder die richtige Zeit noch der rechte Ort ist, um solche …«
    »Demnächst stößt man sich noch im Dunkeln den Zeh, nur weil du keine Lust gehabt hast, eine lächerliche Glühbirne auszuwechseln …«
    Wotan schlug die Hände vor das Auge und stöhnte vernehmlich auf. »Wir waren doch gerade dabei, über den Ring zu sprechen, nicht wahr?« murmelte er.
    »Und pack bitte nicht andauernd deine Ellbogen auf den Tisch«, unterbrach ihn die Walküre Helmwige. »Ich habe mich den ganzen Morgen abgerackert, damit er wieder einigermaßen manierlich aussieht, nachdem du ihn von oben bis unten mit Kaffee vollgeschüttet hast.«
    Tief aus Wotans Kehle stieg ein dumpfes Knurren auf. »Das hier ist eine Versammlung der Asen«, brummte er böse. »Ich möchte euch bitten, euch dementsprechend zu benehmen.«
    »Da du gerade davon sprichst – du hättest dich ruhig mal anständig anziehen können«, gab eine seiner Töchter zurück. »Warum mußt du unbedingt drei Tage hintereinander immer dasselbe Hemd tragen? Wie soll ich denn da den Kragen noch sauberkriegen?«
    »So, Schluß jetzt mit diesem Thema!« brummte Wotan, inzwischen eher wimmernd als böse.
    »Du hast ganze Kommoden voller Hemden, die du nie trägst«, beschwerte sich Grimgerde, wobei sie Wotan mit ihren dunkelblauen Augen vorwurfsvoll anblitzte. Sie selbst hatte seit vierhundertundzwanzig Jahren keine neue Bluse oder überhaupt etwas Neues bekommen, aber sie beklagte sich nicht darüber; schließlich ging sie sowieso nicht mehr aus dem Haus.
    »Verdammt noch mal, ich ziehe an, was ich will und wann ich es will!« stellte Wotan klar. Doch das, was er beim Hervorbringen mit den Stimmbändern noch als Machtwort beabsichtigt hatte, klang, nachdem es die Lippen passiert hatte, allenfalls noch trotzig. »Gut, können wir jetzt …«
    Die Stimme des obersten Gottes wurde nun vom allgemein losbrechenden Geschrei der Walküren übertönt, und Loge gab den Versuch auf, das Versammlungsprotokoll weiterzuführen. Im Lauf der Jahrhunderte hatte er für den unvermeidlichen Ausbruch des Chaos, mit dem jeder Mittwochnachmittag im großen Saal zu Ende ging,

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