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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

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Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Diesen Punkt wollte er gern genauer erörtern. Zunächst einmal war seine Sekretärin nämlich viel zu hager, um wirklich Mutter Erde sein zu können. Doch das sagte er lieber nicht laut, denn eine solche Argumentation hätte sie möglicherweise als Kränkung aufgefaßt. Je länger er allerdings darüber nachdachte, desto weniger Grund schien er zu haben, diesen überzogen klingenden Anspruch der Sekretärin zu bezweifeln. Schon weil ihre Behauptung so absolut unwahrscheinlich klang, wurde sie wieder glaubhaft.
    »Und das hier ist meine Tochter Ortlinde«, fuhr die Göttin mit einem Seufzen fort. »Ich brauche wohl gar nicht erst zu fragen, was sie hier tut.«
    Ortlinde erwiderte nichts; womit sie Malcolms Erwartungen voll und ganz erfüllte. »Könnte mir bitte mal jemand dieses ganze Durcheinander erklären?« bat er mit fast flehentlicher Stimme. »Schließlich bin ich nur ein Mensch.«
    »Aber sicher«, beruhigte ihn Erda. »Als ich merkte, daß Sie den sogenannten Ring der Nibelungen erhalten hatten, da habe ich mir gedacht, ich …«
    »Wie haben Sie das überhaupt herausgefunden?« unterbrach er Erda.
    »Das hat mir eine Nachtigall erzählt, die sich damals gerade am Unfallort aufgehalten hatte. Ich habe mir also gedacht, am besten die Position einer Beobachterin einzunehmen, indem ich mich Ihnen gegenüber als Sekretärin ausgebe.«
    »Aber man hat mir doch erzählt, Sie wären schon seit Jahren hier.«
    »Ich bin nicht ganz ohne Einfluß auf die hiesigen rangniedrigen Gottheiten«, erwiderte Erda mit Stolz. »Tut mir leid, daß Sie getäuscht worden sind.«
    »Sie meinen, der Auktionator, der Grundstücksmakler und diese ganzen Leute waren alle irgendwelche Götter?«
    »Nein, natürlich nicht. Nur der vorherige Eigentümer, Colonel Booth, war einer. Er ist der Geist des kleinen Forellenbachs, der durch das Anwesen fließt. Nur durch seine Mitarbeit konnte ich mir das Nutzungsrecht dieses Hauses sichern, in dem Sie, wie ich wußte, ja schon immer wohnen wollten.«
    »Colonel Booth ist ein Gott?«
    »Nur ein ganz rangniedriger. Das sind übrigens viele Leute. Von zweitausend Menschen ist ungefähr einer in Wirklichkeit ein Gott oder irgendein Geist. Die meisten sind natürlich sterblich und haben von ihrer göttlichen Zugehörigkeit nicht die leiseste Ahnung. Daran ändern wir auch lieber nichts. Das ist wie Ihr britisches System, Laien zu Friedensrichtern zu ernennen.«
    »Und wo lebt Colonel Booth jetzt?« fragte Malcolm, der damit rechnete, daß der Geist jeden Moment aus dem Bach im hinteren Teil des Gartens auftauchte.
    »Ich habe für ihn die Versetzung in einen Nebenfluß des Indus arrangiert. Seine Familie hatte damals schon seit Generationen in Indien gearbeitet, und er war ganz versessen darauf, diese Tradition aufrechtzuerhalten.«
    Malcolm rieb sich mit dem Handballen die Stirn, aber das nutzte auch nichts.
    »Jedenfalls habe ich die Beobachterrolle mit der ausdrücklichen Absicht übernommen sicherzustellen, daß mein Exmann nicht auch an Ihnen die sogenannte ›Brünnhilde-Alternative‹ ausprobiert«, fuhr Erda fort. »Im Fall Ihres Vorgängers Siegfried hatte ich nämlich damals, wie Ihnen zweifellos bekannt ist, bis zu einem gewissen Grad Erfolg damit gehabt. Außerdem war ich mir sicher, daß Wotan keine Sekunde zögern würde, sich wieder der gleichen Masche zu bedienen, falls all seine anderen Fußangeln nicht zuschnappten. Ich dachte, er hätte vorläufig aufgegeben, deshalb hatte ich mir ja auch meinen Jahresurlaub genommen, den ich traditionell in Stroud verbringe.«
    »Wieso denn in Stroud?«
    »Stroud mag ich einfach sehr gern. Jedenfalls ist Wotan offenbar sofort, nachdem ich ihm den Rücken zugekehrt hatte, zu der Strategie mit Ortlinde übergegangen.« Erda hielt kurz inne und warf ihrer Tochter einen strengen Blick zu. »Vielleicht wärst du so nett, uns einen Moment alleinzulassen, Lindi.« Ortlinde stand gehorsam auf und verließ mit trauriger Miene den Salon.
    »Ich möchte in aller Deutlichkeit feststellen«, fuhr die göttliche Sekretärin fort, »daß ich nur die wichtigsten Interessen der Welt wahren will, weshalb ich meine Handlungen nicht von den persönlichen Gefühlen meiner Tochter beeinflussen lassen darf. Davon dürfen Sie sich übrigens auch nicht beeinflussen lassen.«
    »Sie sind gefeuert!«
    »Mister Fisher, Sie scheinen den Ernst der Lage, in der Sie sich befinden, nicht zu erkennen. Der Situation ist von jetzt an höchst bedenklich, die Sicherheit der ganzen

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