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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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lebt ein Mensch denn, Mister Fisher? Optimale Bedingungen vorausgesetzt, siebzig bis neunzig Jahre. Ohne einen starken Motivationsfaktor könnte man von dieser Gattung doch nicht erwarten, daß sie den Großteil ihres extrem kurzen Lebens der Zeugung und Erziehung anderer Menschen widmet. Deshalb war es notwendig, dieser Spezies einen Anreiz zu geben, den sie ihrer Programmierung gemäß für lohnend hält. Liebe ist nur ein leeres Wort, Mister Fisher. Sie täten gut daran, die Liebe völlig zu vergessen.«
    Mit diesen Worten entfernte sich die Göttin Erda und ließ Malcolm allein zurück. Seine einzige Reaktion auf diese Enthüllung aus berufenem Munde war die Ansicht, ihm sei ein ganz gemeiner Streich gespielt worden. Trotzdem änderte sich überhaupt nichts daran, daß er nach wie vor ein Mensch war, Ortlinde immer noch liebte und für ihn nichts anderes zählte. Wenn er deshalb ein Schwachkopf war, dann war das eben so. Da sollte man seine Vorwürfe doch bitte an diejenige richten, die diesen verliebten Zustand erfunden hatte. Malcolm kannte sich jedenfalls mit der Liebe aus; die war genauso wirklich wie alles andere auf der Welt, da konnte er ihre Existenz doch nicht einfach leugnen. Er beschloß, Ortlinde zu suchen und ihr sofort den Ring zu schenken.
    Doch in der Bibliothek war sie nicht, auch nicht in den restlichen Räumen des Hauses. Vielleicht war sie von ihrer Mutter fortgeschickt oder sogar gewaltsam mitgenommen worden. In seiner Verwirrung kam Malcolm nicht einmal darauf, sich einfach den Tarnhelm aufzusetzen, um sich von ihm zu Ortlindes gegenwärtigem Aufenthaltsort bringen zu lassen, sondern rannte statt dessen wie ein aufgescheuchtes Huhn durch das Haus und über das gesamte Anwesen und brüllte dabei aus Leibeskräften ihren Namen. Schließlich sah er eine Gestalt am Flußufer sitzen und lief zu ihr hinüber. Die Gestalt wandte sich um, und Malcolm erkannte zu seiner Verzweiflung, daß es sich bloß um Floßhilde handelte.
    »Hast du sie vielleicht irgendwo gesehen?« keuchte er.
    Floßhilde besaß zwar nicht Malcolms Fähigkeit, Gedanken zu lesen, konnte sich aber doch denken, wen er meinte. »Ja«, antwortete sie. »Ich habe sie gerade eben bei dem kleinen Gehölz gesehen, von wo man diesen herrlichen Blick übers Tal hat. Aber nicht, daß sie etwa den Blick genossen hätte, nein! Sie hat nur dagesessen und wieder mal auf ihre Schuhe geglotzt. Schätzungsweise Größe achtunddreißig. Ich habe nur Größe sechsunddreißig.«
    »Danke.« Malcolm hatte sich bereits zum Gehen gewandt, doch die Rheintochter rief noch einmal seinen Namen.
    »Also?« fragte er. »Was ist denn noch? Ich hab’s eilig.«
    »Das weiß ich«, entgegnete Floßhilde. »Ich komme gerade von Walhalla zurück. Ich habe versucht, Wotan zu überreden, Ortlinde wegzuschicken.«
    »O nein, nicht du auch noch!« stöhnte Malcolm.
    »Das ist doch nur zu deinem Besten.« Malcolm blickte sie böse an, und Floßhilde wurde auf einmal wütend. »Ja, wirklich. Aber ich habe keinen Erfolg gehabt. Wotan hat sogar versucht, mich in einen Igel zu verwandeln, und das alles nur deinetwegen!«
    »In einen Igel? Wieso denn gerade in einen Igel?«
    »Na, wegen der Flöhe und so weiter. Aber aus … aus irgendeinem Grund ist ihm das nicht geglückt.« Floßhilde hatte lange überlegt, weshalb Wotan diese Verwandlung mißlungen war. Schließlich war sie auf eine überzeugende Theorie gestoßen, die ihr neue Hoffnung gegeben hatte.
    »Schade, daß er das nicht geschafft hat«, entgegnete Malcolm und wandte sich erneut zum Gehen. Floßhilde wartete, bis er ihr den Rücken zugekehrt hatte, und stieß ihn dann mit voller Absicht in den Fluß.
    Als Malcolm auf dem Wasser aufschlug, stand ihm deutlich das Schicksal von Hagen vor Augen, den die Rheintöchter ertränkt hatten, und er verwandelte sich instinktiv in ein Ruderboot. Da der Fluß an dieser Stelle aber nur sechzig Zentimeter tief, nahm er kurz darauf wieder seine eigene Gestalt an. Trotz ihres großen Kummers konnte Floßhilde nicht anders, als aus vollem Hals zu lachen.
    »Hör auf!« fuhr Malcolm sie an.
    »Das ist doch gar nicht böse gemeint«, kicherte Floßhilde. »Das Ruderboot war wirklich eine geniale Idee.«
    Durch das unfreiwillige Bad waren Malcolms Schuhe und Strümpfe völlig durchnäßt, und er ließ sie sogleich durch den Tarnhelm ersetzen. »Paß in Zukunft bloß auf!« warnte er Floßhilde in ernstem Ton.
    »Paß du doch auf, und guck mich gefälligst an, wenn ich mit dir

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