Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
Vom Netzwerk:
ewigen Wanderungen habe ich schließlich seine Spur verloren. Er war ein Jüte, ist aber nie in seine Heimat Jütland zurückgekehrt. Ich kann nur vermuten …«
    Plötzlich stürzte Floßhilde aus dem Salon.
    »Was hat die denn auf einmal vor?« brummelte Alberich. »Warum können diese Rheinweiber eigentlich nie stillsitzen?«
    »Jedenfalls bezweifle ich bei der beachtlichen Fruchtbarkeit des Völsungengeschlechts kaum, daß die Familie auch heute noch existiert«, fuhr Erda fort. »Ich habe viel Zeit und Mühe geopfert, um die letzten Überlebenden des Geschlechts aufzuspüren. Wer könnte wohl einen besseren Ringträger abgeben als der Nachkomme von Siegfried dem Drachentöter? Aber bis dato sind meine Nachforschungen ergebnislos verlaufen.«
    »Du glaubst also wirklich, da draußen laufen ein oder zwei Völsungen rum, die nur auf die Gelegenheit warten, sich den Ring zu schnappen?« fragte Alberich. »Na, das hat uns ja grade noch gefehlt!«
    »Im Gegenteil«, widersprach Erda. »Ich halte die Möglichkeit mit den Völsungen nach wie vor für die einfachste Lösung. Zweifellos ist die Episode mit Mister Fisher nichts weiter als eine merkwürdige und unvorhersehbare Komplikation, die sich mit der Zeit bestimmt ganz von selbst wieder gibt. Sobald der fehlende Völsung ausfindig gemacht und von seinem Schicksal in Kenntnis gesetzt worden ist, können wir wieder zur Tagesordnung übergehen.«
    »Das ist unserem jungen Freund Malcolm Fisher gegenüber aber nicht unbedingt fair«, bemängelte Alberich. »Er hat etwas mehr Rücksicht verdient. Ich nehme mal an, dein Völsung wird sich den Ring auf die gleiche Weise unter den Nagel reißen, wie ihn sich sein Vorfahr Siegfried damals von Fafner geholt hat.«
    »Das dürfte nicht unbedingt notwendig sein«, beschwichtigte Erda schnell. »Nein, Mister Fisher hat seinen Beitrag als Hüter des Rings geleistet, und bis jetzt, da gebe ich dir recht, hat er seine Rolle mit Bravour gemeistert. Das gegenwärtige Problem hat allerdings leider einen unerwartet zufriedenstellenden Abschnitt in der Geschichte des Rings verdorben – durch die jüngsten Ereignisse ist nämlich die grundlegende Schwäche von Mister Fishers Gefühlswelt zutage getreten und ganz deutlich geworden, daß man ihn nicht auf lange Sicht mit dem Ring betrauen sollte. Wie wir jüngst erkennen mußten, können wir alle leider nur sehr wenig ausrichten, wenn es wirklich darauf ankommt, das Geschehen zu beeinflussen. Vielleicht ist sogar schon alles verloren – dank Wotan und natürlich meiner Tochter hier.«
    In diesem Augenblick kehrte Floßhilde mit dem Teilband eines Lexikons in den Salon zurück.
    »Man kann über die alte Miesmacherin sagen, was man will, aber die Bibliothek hat sie wirklich prima hingekriegt«, sagte sie. »Hier steht alles drin.«
    Sie legte den Band auf den Tisch und las laut vor: »Die Jüten gehörten zur angelsächsischen Allianz, die vierhundertneunundvierzig Britannien besiedelte, nachdem die Römer von der Insel abgezogen waren.«
    »Jetzt, da du es erwähnst, meine ich mich zu erinnern, zu der Zeit was davon gehört zu haben«, warf Alberich ein. »Aber ich wollte dich nicht unterbrechen.«
    »Wenn Unferth ein Jüte war, ist er vielleicht mit den anderen nach Britannien gekommen. Hast du schon mal hier nach ihm gesucht?«
    Erda zog eine Augenbraue hoch. »Ich muß gestehen, daß ich bisher noch nicht auf die Idee gekommen bin, in dieser Richtung zu ermitteln. Die britischen Inseln sind hinsichtlich Heldentum und Religion immer derart wenig bemerkenswert gewesen, daß ich mir nie auch nur für einen Moment hätte träumen lassen, dort das Geschlecht der Völsungen anzutreffen. Aber das ist natürlich durchaus möglich.«
    Floßhilde hatte anscheinend eine Idee und fragte aufgeregt: »Wo werden denn die Aufzeichnungen normalerweise aufbewahrt? Das wäre bestimmt einen Versuch wert.«
    »Das Hauptarchiv befindet sich bei Mimirs Quelle«, antwortete Erda. »Ich halte es durchaus für angebracht, auch in dieser Richtung zu ermitteln.«
    »Ja, worauf warten wir dann noch?« drängte Floßhilde.
    »Immer mit der Ruhe, junge Frau«, ermahnte Erda sie. »Erwartest du etwa im Ernst von mir, diese Versammlung zum jetzigen entscheidenden Zeitpunkt zu verlassen, noch dazu bei diesem äußerst heiklen Stand der Dinge, nur um irgendwelchen Dokumenten hinterherzulaufen? Das kann bestimmt warten, bis Mister Fisher aus dem Urlaub zurückgekehrt ist und die gegenwärtigen Schwierigkeiten

Weitere Kostenlose Bücher