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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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er liebt mich, kann ihn mir aber nicht geben. Ich wußte, daß so was früher oder später passieren würde, und deshalb bin ich nach Hause gegangen.«
    »Und warum wollte er nicht?« brüllte Wotan. »Da hast du diesen Trottel schon völlig in der Tasche und läßt ihn wieder laufen!«
    »Ich weiß«, erwiderte Ortlinde. »Ich habe dich wieder mal enttäuscht. Tut mir leid.«
    »Geh mir aus den Augen!« schrie Wotan. Ortlinde senkte den Kopf und schlich todunglücklich aus dem Raum, um das Bad sauberzumachen.
    Nachdem er kurz gegen seinen Zorn angekämpft hatte, beherrschte sich Wotan wieder etwas und musterte seine restlichen sieben Töchter mit dem einen Auge.
    »Nun denn, und wer von euch versucht es als nächstes?« fragte er in die Runde.
    Es trat eine lange Stille ein, und niemand rührte sich von der Stelle.
    »Also gut. Grimgerde, setz dich in Bewegung, und tu zum erstenmal in deinem Leben etwas Nützliches!« entschied Wotan schließlich.
    Grimgerde schüttelte den Kopf und erwiderte: »Das hat keinen Sinn. Er weiß alles über uns.«
    »Er hat mit Mutter gesprochen«, fügte Waltraute hinzu.
    »Er würde mich schon erkennen, bevor ich überhaupt durch die Tür komme«, fuhr Grimgerde fort. »Glaub mir, das klappt nicht. Tut mir leid.«
    Einen Moment lang war Wotan sprachlos. Dann sprang er mit einem Schrei wie Donnerhall auf und stürzte aus dem Zimmer. Überall im Haus waren die Lichter ausgegangen.
    »Wir haben ihn schon wieder im Stich gelassen«, seufzte Grimgerde betrübt.
    »Wenn wir doch bloß mit ihm reden könnten!« stöhnte Waltraute.
    »Welchen Sinn hätte das?« fragte Roßweise. »Wir könnten uns ja doch nicht mit ihm verständigen.«
    Dann gingen alle aus dem Zimmer, um Besen und Staubsauger zu holen.

14. KAPITEL
     
    Malcolm hatte nicht die leiseste Ahnung, wo sich die anderen gerade herumtrieben, aber das war ihm auch herzlich egal. Er wußte nur, daß Ortlinde nicht mehr da war. Sie hatte ihren Koffer gepackt, sich verabschiedet und war die Zufahrt hinuntergegangen. Malcolm war sich ziemlich sicher, daß er sie nie wieder sehen würde. Doch damit konnte er sich natürlich nicht abfinden; es wollte ihm einfach nicht in den Kopf, daß auf einmal alles vorbei sein sollte. Tief im Innern war er davon überzeugt, daß es sich bei der gegenwärtigen Trennung lediglich um eine sinnlose Unterbrechung des Wegs zum unvermeidlichen Happy-End handelte. Ortlinde liebte ihn, und er liebte sie. Das sollte doch wohl reichen, um die Beziehung fortzusetzen. Aber sie hatte sich einfach davongemacht, und dem Teil seines Verstands, der sich noch mit der Realität auseinandersetzte, war bewußt, daß dieser Abschied für immer war.
    Der Raum, in den sich Malcolm gesetzt hatte, war bereits seit vielen Jahren nicht mehr benutzt worden; mehrere Möbelstücke waren mit Laken verhängt worden, und Malcolm versuchte sich vorzustellen, wie sie unter dem Staubschutz aussahen. Ihm ging andauernd eine bruchstückhafte Melodie im Kopf herum, die er in New York gehört hatte. Sie hatte für ihn allerdings keine besondere emotionale oder nostalgische Bedeutung, sondern war einfach nur da, so wie eine hinter der Windschutzscheibe gefangene Fliege. Eine Zeitlang lauschte er der sich endlos wiederholenden Tonfolge. Vor ihm lagen zehn oder fünfzehn Blatt Papier, auf die er nach und nach unzählige Entwürfe des alles klärenden Briefs geschrieben hatte, aber irgendwie fielen ihm nicht die richtigen Worte ein – als würde man eine Katze, die nicht ins Haus kommen will, vergeblich hereinrufen. Er konnte sich einfach auf nichts konzentrieren, und seine Augen starrten immer wieder ganz von selbst auf die Wände und in die Ecken des Zimmers.
    »Da bist du ja!« sagte plötzlich eine Frauenstimme hinter ihm. »Ich habe dich schon überall gesucht.«
    Noch bevor er über die Schulter blickte, wußte Malcolm, daß es sich nur um Floßhilde handelte. Er antwortete nicht, nahm ihr die Störung allerdings nicht einmal übel; das alles war gegenüber seinem wahren Kummer so schrecklich unwichtig. Wahrscheinlich würde das Rheinmädchen irgend etwas sagen und dann gleich wieder verschwinden.
    Floßhilde setzte sich auf die Fensterbank und legte die Füße auf einen Stuhl. »Ich störe dich doch hoffentlich nicht, oder?« fragte sie.
    »Nein«, antwortete er.
    »Ich mußte unbedingt von den anderen weg. Die waren über irgendwas furchtbar stinkig.«
    Malcolm schwieg. Er glaubte nicht an die Existenz einer Welt außerhalb dieses Zimmers

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