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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

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Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Träumereien wurden nur von einem Haufen Exdealer unterbrochen, die ihr Angebot mittlerweile von Kokain auf Käsebrötchen umgestellt hatten, nachdem das Drogengeschäft nicht mehr lief. Kurz bevor der Morgen graute, flatterte eine Taube aus einem Baum herab und ließ sich neben Malcolm nieder.
    »Kenne ich dich nicht irgendwoher?« fragte Malcolm die Taube.
    »Unwahrscheinlich«, antwortete seine Gesprächspartnerin. »Du bist doch noch nie in dieser Gegend gewesen, oder?«
    »Stimmt«, erwiderte Malcolm. »Entschuldigung.«
    »Schon gut. Viel Spaß noch.«
    Die Taube beschäftigte sich mit den Brötchenkrümeln, und Malcolm rieb sich mit den Fingerkuppen die Augen.
    »Wie ich das sehe, kümmerst du dich um andere Leute, stimmt’s?« fragte die Taube. »Das finde ich gut. Das ist wirklich mal eine sehr erfreuliche Geschichte.«
    »Aber welchen Sinn hat das?« fragte Malcolm. Langsam rede ich schon genauso wie diese verdammte Ortlinde, dachte er gleich danach. »Ich meine, du brauchst mich ja nur anzusehen. Ich habe mich in meinem ganzen Leben noch nicht so elend gefühlt wie jetzt.«
    »Das ist schlecht«, entgegnete die Taube mitfühlend. »Übrigens, bist du vielleicht Brite?«
    »Ja«, bestätigte Malcolm.
    »Drüben bei Bloomingdales gab’s gerade eine britische Woche. Schottisches Shortbread. Bei den Dingern fallen immer ganz hervorragende Krümel ab.«
    Nach und nach stampften auch schon die ersten Jogger durch den Park – wie Gespenster, die man zu ewiger Flucht und Verfolgung verdammt hatte. Zwei Polizisten, die sich über die jeweiligen Vorzüge ihrer persönlichen Schlankheitskuren unterhielten, legten eine Gesprächspause ein und beobachteten Malcolm bei seinem Schwatz mit der Taube.
    »Da drüben sitzt ein Typ, der mit Vögeln redet.«
    »Dann redet er eben mit Vögeln«, entgegnete der zweite Polizist. »Das ist doch prima. Ich mache das auch immer.«
    Malcolm blickte sich langsam um. Er wußte als einziger, wie zerbrechlich die ganze Welt war. Die Taube sah von ihren Krümeln auf.
    »Dich scheint irgendwas zu bedrücken«, sagte sie.
    »Ich habe ja wohl auch das Recht, deprimiert sein«, antwortete Malcolm bockig. »Die ganze Welt ist glücklich, nur ich bin es nicht.«
    »Ach du Schreck, was sind wir heute morgen wieder mit den Nerven runter«, spottete die Taube. »Du solltest dich lieber mal behandeln lassen, bevor das zu einem richtigen Komplex wird.«
    »Ach, hau ab!«
    »He, du bist ja richtig aggressiv!« stellte die Taube verwundert fest. »Aggressivität ist etwas ganz Schlimmes. Du solltest lieber versuchen, dich etwas besser zu beherrschen.«
    »Schon gut. Ich glaube sogar, du hast recht. Weißt du eigentlich, wer ich bin?«
    Die Taube blickte ihn aufmerksam an und wandte sich dann wieder ihren Krümeln zu. »Wir sind alle irgendwer«, gurrte sie. »Mach dir doch darüber keine Gedanken.«
    »Ich dachte, ihr Vögel wißt alles«, entgegnete Malcolm.
    »Na ja, man ist schnell nicht mehr so ganz auf dem laufenden«, entschuldigte sich die Taube. »Bist du im Fernsehen gewesen oder so was?«
    »Wie kommt es wohl, daß ich dich verstehen kann?«
    Das konnte die Taube nicht von der Hand weisen. »In der Beziehung bist du was Besonderes, das gebe ich gern zu. Aber ich kann mir leider so furchtbar schlecht Namen merken.«
    »Das macht nichts, wirklich.«
    »Ich weiß, wer du bist«, sagte die Taube auf einmal. »Du bist dieser Malcolm Fisher, stimmt’s? Freut mich. Kannst du nicht irgendwas gegen diesen Regen unternehmen?«
    Malcolm unternahm etwas gegen den Regen – und es funktionierte.
    »Vielleicht könntest du auch die Abende eine Idee länger machen«, fuhr die Taube fort. »Zu dieser Jahreszeit kommen die Leute nämlich gerne abends in den Park, um am See zu sitzen und was zu essen, und da gibt’s natürlich viele Krümel. Also, wenn du, sagen wir mal, eine bis anderthalb Stunden drauflegst, gäbe es nicht immer gegen halb sieben dieses furchtbare Gerangel mit den ganzen Tauben, die aus dem Osten angeflogen kommen. Da muß man schon ganz schön angriffslustig werden, um überhaupt noch Krümel abzukriegen, und ich finde nicht, daß das zu mir paßt.«
    Malcolm versprach, die Angelegenheit zu prüfen. »Kann ich sonst noch was für dich tun?« fragte er.
    »Nein«, erwiderte die Taube, »das wär alles. Also, bis später!«
    Die Taube flatterte davon, und Malcolm schloß die Augen. Er war todmüde und fühlte sich sehr einsam. Nicht mal die Vögel waren mehr eine Hilfe.
     
    Im großen

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