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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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Produktionskapazität auf landwirtschaftliche Maschinen umgestellt. Der ganze Planet war glücklich und wiegte sich in dumpfer Zufriedenheit. Um dieses ›Mißverhältnis‹ zu korrigieren, hatte die Menschheit auf die Ursache allen Unglücks zurückgegriffen, gegen die selbst der Ring nur wenig ausrichten konnte.
    Trotz dieses schon lemminghaften Sturzes in die Liebe herrschte ein eigenartiges, hochgestimmtes und optimistisches Gefühl vor, das Malcolm zunächst gar nicht bestimmen konnte.
    Zwar war er sich sicher, diesem Gefühl vor vielen Jahren schon einmal irgendwo begegnet zu sein, aber er kam einfach nicht darauf, bis er zufällig an einer Schule vorbeikam, an der gerade die Ferien begannen. Da erinnerte sich Malcolm wieder an das Gefühl von Erlösung und Freiheit, an die Gewißheit, daß man für eine absehbare Dauer – wenigstens drei volle Wochen lang – Herr über jede einzelne Minute seiner eigenen Zeit sein würde, und das alles ohne Hausaufgaben und die gleichermaßen gehaßten wie gefürchteten Lehrer. Es war, als sei auf der ganzen Welt ein unendlicher Sommer ausgebrochen, als fahre dieses Jahr jeder nach Jersey, wo man auf Eseln am Strand entlangreiten kann. All das, erkannte Malcolm, war sein Verdienst, waren die Früchte seines harmlosen Naturells. Als er noch ein Junge war, so erinnerte er sich, hatte irgendeine Prinzessin einen Mittwoch zum Tag ihrer Hochzeit bestimmt, und im ganzen Land war an diesem Tag schulfrei gewesen. Allerdings hatte es sich ebenfalls immer um einen Mittwoch gehandelt, wenn seine dürftigen Mathematikkenntnisse von einem übellaunigen Mann mit Vollglatze einer ernsthaften Prüfung unterzogen wurden. Mit Freuden hätte Malcolm damals sein Leben für die wunderbare Dame hingegeben, die ihm einmal diese Tortur für eine ganze Woche ersparte, indem sie ihn seinen am meisten gehaßten Tag mit der Fertigstellung eines Düsenbombermodells verbringen ließ. Malcolm begriff, daß jetzt er der Urheber der Freude in der Welt war, so wie die Prinzessin einst in seiner Kindheit.
    Doch die Resultate seiner Arbeit leibhaftig vor sich zu sehen, verunsicherte Malcolm nicht zu knapp, und zunächst wußte er nicht einmal, was er von allem halten sollte. Alle Welt war glücklich, außer Gefahr und bis über beide Ohren verliebt, bis auf einen gewissen M. Fisher, der die Fäden in der Hand hielt, und eine Anzahl übernatürlicher Wesen, die ihm die Herrschaft entreißen wollten. Zwischen dem allgemeinen Glück und Malcolms Unglück schien eine vage Beziehung zu bestehen, und allmählich wurde Malcolm ausgesprochen ärgerlich. Das war zwar dumm und falsch, aber er konnte nichts dagegen unternehmen. Er hatte nie vorgehabt, die Welt von ihren Sünden zu erlösen. Wieder einmal war alles nach dem altbekannten Schema abgelaufen: Der ganze Planet amüsierte sich prächtig, nur er allein durfte nicht daran teilhaben. Seine Untertanen verdienten es gar nicht, glücklich zu sein. Was hatten sie denn schon im Vergleich zu ihm geleistet? Womit wollten sie sich einen Anspruch auf diese goldenen Zeiten erworben haben? Bevor er es merkte, murmelte er irgend etwas in der Richtung vor sich hin, daß denen das dumme Grinsen schon noch vergehen werde, dafür werde er schon sorgen, als sich langsam Wolken über dem Erdball zusammenzogen.
    Der erste Regentropfen traf Malcolms Hand, als er gerade im Central Park saß und die schon absurd glücklichen New Yorker beobachtete, die im Mondschein in den jüngst zum sichersten Ort der Vereinigten Staaten erklärten Anlagen herumtollten. Eine Gruppe Straßenmusikanten, gekleidet in Gehröcke, die Gesichter mit schwarzweißen Karos bemalt, spielte vor einem dankbaren Publikum aus jungen Pärchen und unbewaffneten Polizisten Bachs Brandenburgische Konzerte. Allmählich hatte Malcolm die Nase voll. Er wollte diese Idioten augenblicklich im Regen sitzen sehen. Sein Wunsch wurde Befehl. Als die Musiker eiligst unter den Bäumen und Felsvorsprüngen Schutz suchten, fiel einem kleinen japanischen Gentleman auf, daß Malcolm klitschnaß wurde, und lief schleunigst mit einem Regenschirm zu ihm herüber. Lächelnd drückte er ihm den Schirm in die Hand, sagte »Geschenk« und hastete wieder davon. Malcolm warf den Schirm voller Ekel weg.
    Er blieb noch viele Stunden auf seinem Platz sitzen und versuchte nachzudenken, während ihm der Regen übers Gesicht lief, aber anscheinend konnte er keinen einzigen klaren Gedanken mehr fassen. Die meiste Zeit über war er allein, und seine

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