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Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Wir haben Sie irgendwie größer erwartet

Titel: Wir haben Sie irgendwie größer erwartet Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tom Holt
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sie, aber davon habe ich ihr sowieso kein Wort geglaubt. Weshalb habt ihr euch denn gestritten?«
    »Daran kann ich mich, ehrlich gesagt, nicht mehr erinnern. Das war aber bestimmt nichts Wichtiges. Kann ich sonst noch was für dich tun?«
    »Nein«, antwortete Malcolm. »Vielleicht ist es wirklich besser, wenn du verschwindest. Leider habe ich heute keine besonders gute Laune.«
    Floßhilde schwang die Beine mit einer anmutigen Bewegung vom Stuhl und verließ das Zimmer. Nachdem sie die Tür vorsichtig hinter sich zugemacht hatte, schloß sie die Augen und ballte mit aller Kraft die Hände. Allerdings half das überhaupt nichts, und einen Befreiungsschrei hätte bestimmt jemand gehört. Schließlich begab sie sich nach unten.
    Schon vom Treppenabsatz aus hörte sie ein aufgeregtes Stimmengewirr aus dem Salon, das von Alberich, Erda und einer dritten Person stammte, deren Stimme Floßhilde entfernt bekannt vorkam. Der Neuankömmling stellte sich als die mittlere Norne heraus – eine rundliche blonde Frau, die ein adrettes braunes Tweedkostüm trug. Sie hatte eine riesengroße Aktentasche mitgebracht, und der Fußboden war von Fotokopien uralter Pergamente übersät. Erda und die Norne knieten über den Dokumenten und gingen sie mit Lupen durch, während Alberich am Schreibtisch saß und sich Notizen machte.
    »… dann hat sie Sintolt den Hegeling geheiratet«, las die Norne gerade laut vor, »und deren Sohn wiederum war Eormanrik …«
    »Was macht ihr da?« fragte Floßhilde.
    »Es hat sich eine etwas eigenartige Entwicklung ergeben«, erklärte Erda, wobei sie von den Papieren auf dem Boden aufblickte. Ihre Jacke war von oben bis unten voller Teppichfussel. »Wir haben den Letzten der Völsungen aufgespürt.«
    »Wirklich?« fragte Floßhilde, wobei sie keine Spur begeistert war, denn diese Entdeckung schien für sie kaum noch eine Bedeutung zu haben. Trotzdem konnte man sich damit immerhin ein wenig ablenken, und falls es ihr zu langweilig werden würde, hatte sie ja immer noch ihr Buchstabenspiel.
    »Ich glaube, du wirst ganz schön überrascht sein, wenn du das hörst«, fuhr Erda fort. »Ich gebe dir mal einen kurzen Überblick über den Stammbaum der Völsungen.«
    »Mach meinetwegen keine Umstände«, entgegnete Floßhilde. »Ich glaub’s dir auch so.« Sie setzte sich und nahm eine Zeitschrift. »Sag mir einfach die Namen.«
    »In direkter Linie gibt es drei lebende Nachkommen«, erklärte die Norne, wobei sie die Brille abnahm. »Missus Eileen Fisher in Sydney, Australien; ihre Tochter Bridget, ebenfalls in Sydney; und ihr Sohn Malcolm in Combe Hall, Somerset.«
    Wie der Blitz kniete Floßhilde gleichfalls auf dem Boden nieder. Sie drängte die Norne, die komplizierte genealogische Kette, die sich über eintausend Jahre erstreckte, Glied für Glied durchzugehen. Bridget und Malcolm Fisher stammten tatsächlich in direkter Linie von Siegfried ab, dem Bezwinger Fafners!
    »Als ich das herausgefunden hatte, bin ich so schnell wie möglich hergekommen«, fuhr die Norne fort. »Dir ist doch bestimmt klar, was das bedeutet.«
    »Nein«, gestand Floßhilde atemlos ein. »Aber erzähl weiter!«
    »Also«, begann die Norne und setzte sich wieder die Brille auf, »Siegfried war zur Zeit der Hochzeit mit Gutrune – zumindest theoretisch – Untertan des Königs der Gibichungen. Dasselbe gilt zweifellos für Sieghilde, so daß der Ring, wenn wir davon ausgehen, daß er Siegfrieds rechtmäßiges Eigentum war, unter die erbrechtlichen Gesetzesbestimmungen der Gibichungen fällt. Die Gesetze der Gibichungen sind natürlich äußerst kompliziert, und in Testamentsfragen grenzen sie schon ans Obskure, aber zufälligerweise habe ich mich gerade mit diesem Teil besonders beschäftigt.« Die Norne hielt kurz inne, als erwarte sie ein paar anerkennende Worte, es kamen aber keine. »Jedenfalls kann nach dem Gesetz der Gibichungen ein Erbgut – im Gegensatz zu selbst erworbenem Eigentum – niemals weiblichen Nachkommen zufallen und wird durch sie lediglich auf den nächsten männlichen Erben übertragen. Das heißt, der weibliche Nachkomme darf die Erbmasse nicht veräußern und hat kein Recht, sie zu übereignen oder frei darüber zu verfügen. Die Frau darf das Erbgut nur treuhänderisch verwalten, bis der nächste männliche Erbe das Alter von vierzehn Jahren erreicht hat.«
    »Worauf willst du eigentlich hinaus?« hakte Floßhilde ungeduldig nach.
    »Obwohl seine Mutter noch lebt und er eine ältere Schwester hat, ist

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