»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«
ich sogar eine halbe Stunde zu früh da gewesen sei, um bloß meinen Flug nicht zu versäumen, und wie ich die Wartezeit damit verbracht hatte, sämtliche Flughafenkürzel in den Computer einzugeben, um ein bisschen zu üben. Alle, nur eben den nicht, für den ich mich hätte eintragen sollen. Den wichtigsten von allen!
Ich tat, was jeder Neuling tun würde, der um seinen Job fürchtet: Ich jammerte und bettelte und flehte, wieder auf den Flug gebucht zu werden. Ich entschuldigte mich in aller Form dafür, dass ich Mist gebaut hatte, und fragte, ob ich irgendetwas tun könne, um es wiedergutzumachen. Irgendwann aber dämmerte mir, dass ich es damit wahrscheinlich nur noch schlimmer machte.
»Ich stecke echt in der Klemme, was?«, fragte ich und wartete mit angehaltenem Atem.
Schließlich seufzte der Disponent am anderen Ende der Leitung. »Bleiben Sie am Flughafen und warten Sie, falls wir Sie später noch brauchen. Sie rühren sich nicht vom Fleck, verstanden?«
»Tausend Dank. Sie haben ja keine Ahnung, wie dankbar ich Ihnen bin.« Wieder mal hatte das Stockholm-Syndrom voll zugeschlagen. »Das heißt, ich bin … ich bin damit auf Stand-by?«
»Das heißt, Sie sitzen am Flughafen, für den Fall, dass wir Sie später noch brauchen.«
Hm. Das war völlig unlogisch. Wenn ich Stand-by-Dienst hatte, war ich offiziell bei der Arbeit. Aber wenn ich nur hier herumsaß, wer bezahlte mich dann dafür?
Ich musste mich daran erinnern, dass Geld jetzt meine geringste Sorge war – zumindest für den Augenblick. Das Wichtigste war, dass ich meinen Job behielt. Ich war einigermaßen zuversichtlich, endgültige Sicherheit würde ich allerdings erst nach meinem obligatorischen Anruf in der Zentrale am frühen Abend haben. Aus reiner Neugier rief ich den Flug auf, um zu sehen, auf welchen Status ich gerade gesetzt war. Da stand es, in weißen Großbuchstaben auf blauem Hintergund: FLUG VERSÄUMT . Niedergeschlagen trottete ich zurück in die Zentrale, wo ich die nächsten Stunden verbrachte. Genauer gesagt, den ganzen Tag, bis auch die letzte Maschine aus LaGuardia gestartet war. Dann nahm ich all meinen Mut zusammen und rief in der Zentrale an.
»Hi, hier spricht Flugbegleiterin Poole. Kann ich Dienstschluss machen?«
Ich hörte das Klicken von Tasten. »Dienstschluss? Von welchem Dienst?«
»Oh. Äh. Ach, gar nichts. Entschuldigung«, stammelte ich. Los, leg endlich auf! , schrie eine Stimme in meinem Kopf. »Vielen Dank«, sagte ich stattdessen, weil ich höflich sein wollte.
Wieso sie mich damals nicht vor die Tür gesetzt haben, ist mir bis heute ein Rätsel, aber ich danke Gott jeden Tag aufs Neue dafür. Andere haben für viel geringere Vergehen ihren Job verloren. Es ging das Gerücht, eine Anfängerin sei rausgeflogen, weil sie sich krankgemeldet hatte. Und sie war tatsächlich krank gewesen! Eine andere hatte den Dienst quittieren müssen, weil sie mit einem Rucksack im Terminal gesehen worden war, der nicht zur offiziellen Ausstattung gehörte. Dazu muss ich jedoch ergänzen, dass besagte Kollegin bereits in der Woche zuvor einen Klaps auf die Finger bekommen hatte, weil sie sich ihren Uniformpulli lässig um die Hüften gebunden hatte. Sie hätte es also besser wissen können. Ein anderes Mädchen hatte sich einen Flug nach Hause erschummelt, indem sie so getan hatte, als fliege sie zum nächsten Einsatz. Insofern war ihre Kündigung vielleicht tatsächlich berechtigt. Aber galt das auch für den Kollegen, der auf einem Nachtflug auf dem Klappsitz einnickte?
Zum Glück würde nach den ersten sechs Monaten alles besser werden. Das wurde mir klar, während ich in der Flugzentrale saß und darauf wartete, ob mich die Dispo zu einem Einsatz rief. Ich traute meinen Augen kaum, bei dem, was ich dort sah … Flugbegleiterinnen liefen mit offenen Haaren herum, hatten Schnallen an den Schuhen und sogar einen Kaugummi im Mund! Allesamt Dinge, die uns in der Akademie als absolute Todsünden eingebläut worden waren! Aber bis ich mich zum selben Dienstgrad hochgearbeitet hatte wie sie, würde ich alles daransetzen müssen, dass mir keine weiteren Fehler unterliefen – angefangen damit, mich nicht offiziell im Computer dienstbereit zu melden.
Während ich meinen inoffiziellen Stand-by-Dienst absolvierte, wurde Georgia auf einen Flug nach Kansas City gerufen. Als sie erfuhr, dass die gesamte Crew aus Reserveleuten bestand (und zwar aus unseren ehemaligen Kurskollegen), bekam sie beinahe einen Herzinfarkt. Völlig
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