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»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

»Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen«

Titel: »Wir haben soeben unsere Reiseflughöhe vergessen« Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Poole
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Begegnungen, die unweigerlich mit der Landung endeten, an Begegnungen, die vollkommen bedeutungslos waren, und an Begegnungen, die flüchtig schienen und dann zu einer lebenslangen Verbindung wurden.
    Ich fand es seltsam, eine Beziehung zu meinen Kollegen aufzubauen und vertrauensvoll mit ihnen zusammenzuarbeiten, nur um nach wenigen Stunden Abschied zu nehmen, so schnell und scheinbar ohne jede Gefühlsregung, als hätte ich alles nur geträumt. Noch bevor die Maschine am Boden aufsetzte, wurde alles, was wir während des Fluges geteilt hatten, eingepackt und verstaut, wie ein Klatschblatt von einem der Passagiersitze, das in irgendeiner Flugbegleitertasche verschwindet. Ich habe keine Ahnung, wie viele dieser abschiedslosen Abschiede ich hinter mich brachte, ehe auch ich zu denen gehörte, die ohne ein anständiges »Auf Wiedersehen« von Bord gingen. Irgendwann gewöhnte ich mir das auch am Telefon an. Sobald ich merke, dass das Gespräch langsam endet, mache ich kurzen Prozess und lege auf. Wer auch immer am anderen Ende der Leitung ist – es macht ihn wahnsinnig.
    Was Georgia anging: Ich versäumte die Hochzeit. Zumindest gehe ich davon aus. Weil ich nie eine Einladung bekam. Bis zum heutigen Tag habe ich keine Ahnung, ob sie und der Typ, dessen Namen ich nicht weiß, jemals den Schritt vor den Traualtar gewagt haben. Ich hätte nie gedacht, dass ich Georgia an jenem Morgen, als sie in einen Wagen von Kew Gardens stieg und mir zum Abschied zuwinkte, das letzte Mal sehen würde. Nachdem sie weg war, telefonierten wir noch einige Male. Inzwischen arbeitete sie für eine renommierte Kosmetikfirma in einem Einkaufszentrum in North Carolina. Ich erzählte ihr von meinen durchgeknallten Passagieren, von schrägen Kollegen, von Prominenten in der First Class, von heißen Piloten, die leider keinerlei Interesse an mir gezeigt hatten, von ausgiebigen Aufenthalten in tollen Städten wie Chicago, Boston, Denver, Miami, Salt Lake City, San Francisco und Seattle, und sie erzählte mir von den neuesten Lippenstiftfarben und der besten Feuchtigkeitscreme für helle, trockene Haut. Im Lauf der Zeit wurden unsere Gespräche immer kürzer, und ich ertappte mich dabei, dass ich meine Schilderungen herunterspielte, weil mein Alltag selbst in meinen eigenen Ohren so viel aufregender klang, als er eigentlich war. Im Vergleich zu Georgia lebte ich innerhalb von drei Tagen ein ganzes Leben. Wann immer ich von einem Trip zurückkehrte, hatte ich das Gefühl, wochenlang unterwegs gewesen zu sein und nicht nur ein paar Tage, obwohl am Boden keiner gemerkt zu haben schien, dass ich überhaupt weg gewesen war. Bei der Arbeit lebte ich auf der Überholspur, während die Zeit zu Hause im Schneckentempo zu vergehen schien. Gleichzeitig wollte ich Georgia keinen falschen Eindruck vermitteln. Sie sollte nicht das Gefühl haben, möglicherweise doch einen Fehler begangen zu haben.
    Als ich eines Tages ihre Nummer wählte, sagte mir eine elektronische Stimme, dass der Anschluss nicht vergeben sei. Im ersten Moment dachte ich mir nichts dabei. Vermutlich war sie umgezogen und würde sich irgendwann wieder melden. Ich hörte nie wieder von ihr.
    Es dauerte einige Zeit, bis ich begriff, dass Georgia mit mir »Schluss gemacht« hatte. Aber wenn sich eine Tür schließt, öffnet sich dafür eine neue. Während Georgia ihre Sachen packte, wählte ich die Nummer, die eine Kollegin auf meinem letzten Flug auf eine Cocktailserviette gekritzelt hatte, obwohl ich mich gar nicht explizit nach einer neuen Bleibe erkundigt hatte. Als ich sie noch am selben Tag anrief, fiel sie aus allen Wolken. Ich würde gleich einziehen, ohne mir das Zimmer vorher überhaupt anzusehen, sagte ich zu ihr. Mir war sonnenklar, dass ich Victors Eskapaden ohne Georgia keinen Tag länger ertragen würde. Eigentlich konnte ich mir die fünfzig Dollar zusätzliche Miete im Monat gar nicht leisten, aber ich würde das Zimmer in meinem neuen Crashpad für zweihundert Dollar nehmen, selbst wenn es bedeutete, dass ich die nächste Zeit am Essen sparen musste.

Auf dem Boden der Tatsachen
    Gerade einmal zwei Tage nach meinem Umzug in mein neues Crashpad wurde ich Yakovs Frau. Meine neue Mitbewohnerin und ich hatten keine Ahnung, wer uns wegen illegaler Vermietung von Räumlichkeiten, Blockieren einer Einfahrt und allgemeiner Unruhestiftung beim Ordnungsamt angezeigt hatte, aber es musste jemand gewesen sein, der unsere Anwesenheit als Zumutung empfand und wollte, dass wir von hier

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