Wir in drei Worten
Spezialeffekte, in einen offenen Kanalschacht schlängelt. Dieses Gesprächsthema ist unbekanntes Terrain für uns. Das Wissen über unser Privatleben erstreckt sich darauf, dass a) ich verlobt bin, was nun Vergangenheit ist, und b) er aus Carlisle stammt. Und damit sind wir beide zufrieden.
Er scharrt mit den Füßen.
»Hast du schon von dem Heroinschmuggel am Flughafen gehört, der ab heute in 9 verhandelt wird? Wie es heißt, haben sie das Zeug in Kolostomiebeuteln versteckt.«
Ich schüttle den Kopf. »Diesmal können sie also tatsächlich behaupten, dass das guter Shit war!«
Er amüsiert sich über den Witz und hat die gelöste Verlobung längst vergessen.
»Ich werde bei dem Ehrenmord in Saal 1 bleiben«, sage ich, ohne zu lächeln. »Wenn du dich um die Drogensache kümmerst, werde ich mich mit dem Mord beschäftigen, und in der Halbzeit können wir unsere Notizen austauschen.«
Pete beäugt mich misstrauisch und fragt sich, welche verschlagene Taktik sich hinter dieser für beide Seiten nutzbringenden Diplomatie verstecken könnte.
»Ja, in Ordnung.«
Obwohl mich die düstere Thematik manchmal runterzieht, mache ich meinen Job sehr gern. Es gefällt mir, dass es klar definierte Regeln und Rollen gibt. Auch wenn es in der Beweisführung Grauzonen gibt, ist ein Prozess immer schwarz und weiß. Ich habe gelernt, die Sprache im Gerichtssaal zu verstehen, Windstille und aufkommende Böen vorherzusagen und das freimaurerische Geflüster der Verteidiger zu deuten. Zu bestimmten Anwälten habe ich einen guten Draht. Ich habe mir die Fähigkeit angeeignet, in den Gesichtern der Jurymitglieder zu lesen, und es gelingt mir, schnell genug aus dem Saal zu schlüpfen, bevor mir wütende Zuschauer von der Galerie folgen und fordern, dass sie nichts davon in einer verdammten Zeitung lesen wollen.
Ich trinke den Rest des grässlichen Kaffees, werfe den Becher in den Mülleimer und mache mich auf den Weg zum Gerichtssaal 1 , als ich eine schüchterne Frauenstimme hinter mir höre.
»Entschuldigung? Sind Sie Rachel Woodford?«
Ich drehe mich um und sehe ein Mädchen mit einem strohfarbenen Wuschelkopf, einer leicht gekrümmten Nase und einem unsicheren Gesichtsausdruck. In einer Schuluniform könnte man sie leicht für zwölf halten.
»Ich bin die neue Reporterin, die Sie heute begleiten soll«, erklärt sie.
»Ah ja.« Ich zermartere mir das Gehirn nach ihrem Namen und erinnere mich an ein Gespräch mit den Leuten in der Redaktion, das in einer anderen, längst vergangenen geologischen Ära stattgefunden zu haben scheint.
»Zoe Clarke«, sagt sie rasch.
»Zoe, natürlich. Es tut mir leid, ich bin heute Morgen noch nicht ganz wach. Ich kümmere mich heute um den Mordprozess. Willst du mitkommen?«
»Ja, danke!« Sie strahlt mich so begeistert an, als hätte ich sie zu einem Wanderwochenende im Lake District eingeladen.
»Dann wollen wir mal zuhören, wie sich ein paar Perückenträger miteinander streiten«, sage ich. Ich deute auf Gretton, der sich schon auf den Weg gemacht hat. »Und nimm dich in Acht vor dem verschwitzten Mann, der in Freundschaft kommt und dann mit deiner Story verschwindet.«
Zoe lacht. Sie wird noch viel lernen müssen.
[home]
5
I n der Mittagspause klappe ich im Presseraum meinen Laptop auf. Presseraum ist eine etwas hochtrabende Bezeichnung für das fensterlose, nikotinverfärbte Verlies in den Tiefen des Strafgerichtsgebäudes, in dem ein furnierter Schreibtisch, ein paar Stühle und ein verbeulter Aktenschrank stehen. Gerade als ich meinen E-Mail-Eingang überprüfe, kommt eine Nachricht von Mindy.
Kannst du reden?
Ich tippe
ja
und drücke auf
Senden.
Mindy schreibt nicht gerne E-Mails, wenn sie stattdessen telefonieren kann. Sie redet gern, außerdem ist ihre Rechtschreibung phonetisch. In E-Mails an mich und Caroline schrieb sie öfter »woalah!«. Wir hielten es für ein indisches Wort, bis wir herausfanden, dass sie »voilà« meinte.
Mein Telefon klingelt.
»Hi, Mind«, melde ich mich. Ich stehe auf, verlasse den Presseraum und stelle mich vor die Tür.
»Hast du schon eine Wohnung gefunden?«
»Nein.« Ich seufze. »Ich schaue mich ständig auf den entsprechenden Websites um und hoffe, dass es auf wundersame Weise einen plötzlichen Einbruch am Immobilienmarkt gibt und die Preise in den Keller fallen.«
»Du willst in die Innenstadt, richtig? Und es darf auch zur Miete sein?«
Rhys will mir meine Hälfte des Hauses ausbezahlen, und ich habe beschlossen, das Geld in
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