Wir in drei Worten
durchs Lokal und schlüpfte zur Tür hinaus.
»Ist irgendetwas mit dir?«
Als Ben meine Stimme hörte, zuckte er zusammen. »Ich brauchte frische Luft. Und du?«
Ich hielt mir den vollen Bauch unter dem Kleiderbund. »Offenbar habe ich meine Tandoori-Obergrenze erreicht.«
Er schmunzelte.
Ein Auto mit aufgemotztem Auspuff raste vorbei. Aus den heruntergekurbelten Fenstern dröhnte Prollmusik. Wir schwiegen, bis der Lärm verebbte. Ich zitterte ein wenig an diesem kühlen nordenglischen Abend. Holzrauch lag in der Luft. Offenbar machte die Chickenwings-Bude nebenan guten Umsatz.
»Einundzwanzig, was, Ron? Jetzt wird es ernst.«
»Ha. Ja, irgendwie schon.«
»Und hast du schon einen Plan? Alles organisiert? Karriere, Hochzeit, Kinder und so weiter?«
»Nicht wirklich.«
»Aber du ziehst definitiv zurück nach Sheffield?«
»Nun, ja, da die Journalistenschule mich nimmt.«
Die Frage überraschte mich ein wenig. Schließlich hatte ich mich beworben, war angenommen worden und hatte mich lang und breit darüber ausgelassen. Was sonst sollte ich tun?
»Und was hast du vor? Wird die große Weltreise in Irland enden?«
Ben und sein Freund Mark hatten, seit sie fünfzehn waren, geplant, ein halbes Jahr um die Welt zu reisen. Da Ben ein Arbeitstier war, hatte er beträchtliche Ersparnisse angehäuft. Vor kurzem hatten sie die Tickets gekauft, und Ben hatte aufgeregt eine Karte von Asien auf einem Tisch in der Mensa ausgebreitet, um mir die Reiseroute zu zeigen.
Da es bald losgehen sollte, musste ich mich einer Frage stellen, der ich bis jetzt lieber ausgewichen war: Wie würden wir die Verbindung halten, und zwar so, dass wir wirklich am Leben des anderen teilhatten? Und das hieß nicht nur hin und wieder eine Postkarte. Würden seine Freundinnen mich dulden, wenn er je eine längere Beziehung einging? Würde Rhys anfangen, Witze über den »anderen Mann in meinem Leben« zu reißen, und damit alle in Verlegenheit bringen?
Und Ben? So lange waren wir ein exklusiver Zweierclub gewesen mit der stillschweigenden Übereinkunft, dass keine weiteren Mitglieder aufgenommen wurden. Doch genau diese Ausschließlichkeit würde unseren Untergang bedeuten. Trotz aller guten Absichten konnte ich mir nicht vorstellen, dass wir es schaffen würden, die räumliche Entfernung und die Kluft zwischen den Geschlechtern zu überbrücken. Wenn mich jemand gefragt hätte, ob Ben und ich Kumpel bleiben würden, hätte ich sofort ja gesagt. Doch hätte man mich in ein Vernehmungszimmer geschleppt, eine grelle Lampe auf mein Gesicht gerichtet und verlangt, die
gottverdammte Wahrheit
zu sagen: ich hätte gewusst, wie es um die statistische Wahrscheinlichkeit bestellt war. Es würden keine Kneipenbesuche mit anschließendem Absacker bei ihm mehr stattfinden, wenn argwöhnische Lebenspartner zu allem ihren Segen geben mussten. Briefe und Anrufe würden Einladungen enthalten, einander zu besuchen, und da es nach einer Weile verkrampft werden würde, sich weiter Theater vorzuspielen, würde der Kontakt allmählich einschlafen. Angesichts der verschiedenen, im Laufe der Jahre zunehmenden Sachzwänge würde sich unsere Freundschaft in Luft auflösen, und schlimmer noch, wir würden es zulassen und das alles vergessen wollen, weil es so einfacher war.
»Findest du, ich sollte nach Irland ziehen?«, fragte er.
»Pippa scheint wirklich sehr nett zu sein«, erwiderte ich wahrheitsgemäß.
Wir spähten beide ins Restaurant, wo Rhys gerade gutgelaunt und zur Freude der kichernden Pippa aus einem Luftballon eine Comicfigur drehte.
»Das ist keine Antwort.«
»Die kennst nur du allein, Ben.«
»Stimmt. Und ich weiß es nicht.«
Sag etwas Bedeutsames, dachte ich. Sag ihm, dass wir Freunde bleiben werden und dass die Entfernung keine Rolle spielt.
»Von all meinen Freunden zu Hause war ich derjenige, der sich nie das Hirn zermartert hat«, fuhr Ben fort. »Ich dachte, dass das schon alles irgendwie klappt. Aber ich habe meine Meinung geändert. Wenn man nichts unternimmt, passiert auch nichts. Das Leben besteht aus Entscheidungen. Entweder trifft man sie selbst, oder sie werden für einen getroffen. Drücken kann man sich davor nicht.«
»Du brauchst nichts zu tun, das du nicht willst.«
Seine Trauer war fast mit Händen zu greifen, so wie die Feuchtigkeit in der Luft, bevor es zu regnen anfängt. Allerdings waren wir in Manchester, Regen lag also durchaus im Bereich des Möglichen. Ben war niedergeschlagen, und ich wünschte mir, der Abend
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