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Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition)

Titel: Wir in Kahlenbeck: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Peters
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stattfinden , selbst wenn es in seinen Augen normal ist , besser als das , was er mit Ulla tut. Wenn Joschrupp schon Gerüchte in dieser Richtung gehört hat , werden sie auch Bruder Walter zu Ohren gekommen sein , der es vielleicht in der Erzieherkonferenz thematisiert hat. Carl will klarstellen , daß seine Freundschaft mit Bernhard Kuffel platonischer Natur ist , weiß , daß er sich damit um so verdächtiger machen würde.
    »Wie Bernhard all das nacharbeitet , was sie in seiner alten Schule versäumt haben , mit außerordentlicher Selbstdiziplin. Großartig.«
    »Er lernt jetzt sogar abends freiwillig Griechisch bei Herrn Krantz , weil er die Schriften Platons und Aristoteles’ im Original lesen möchte.«
    Der Präses schaut Carl aus seinen undurchdringlichen Schlitzaugen an , und Carl verwandelt sich in das Kind , das gehorsam sein möchte , weil das der Wille Gottes ist , spürt leichten Schwindel , weiß nicht , ob er das Gespräch von sich aus weiterführen soll oder warten , bis der Präses es fortsetzt.
    »Wir haben denselben Weg.«
    Die Turmuhr schlägt vier. Aus dem Schulgebäude schrillt erneut die Klingel zum Silentium.
    Der Präses geht weder schnell noch langsam. Sein Schweigen dehnt sich aus , legt sich über Straßengeräusche , Vogelstimmen , das allgegenwärtige Rauschen. Carl spürt eine Unruhe , die zunehmend unerträglich wird. Ein Gefühl , als würde er durchleuchtet. Sagt , nur um die Geräuschlosigkeit zu beenden: »Bernhard erklärt mir viele Zusammenhänge im Hinblick auf den Glauben … Auch die philosophischen Grundlagen.«
    Eine unsichtbare Hand hat sich um sein Herz gelegt , warm und fest , tastet die Fasern hinter dem Muskel , der das Blut durch den Körper pumpt , auf Verhärtungen hin ab , während Carl sich im Sechseckmuster der Pflastersteine verliert. Seine Schritte haben keinen Rhythmus , als hätte er das Gehen verlernt.
    Der Präses sagt: »Philosophie ist eine schöne Sache. Solange man ihre Grenzen im Blick behält.«
    »Wenn man anfängt , sich damit zu beschäftigen , tun sich auf einmal ganz neue Welten auf.«
    »Begabte junge Menschen lassen sich von den Versprechungen der Philosophie gern auf Abwege führen. Man meint , daß sich die Geheimnisse des Glaubens mit dem Verstand lösen lassen. Dann verirrt man sich im Labyrinth der Gedankengebäude , bis man am Ende nicht mehr in der Lage ist , das Unbegreifliche in gläubigem Vertrauen anzunehmen. Ich preise Dich , Vater , Herr des Himmels und der Erde , daß Du all dies den Weisen und Klugen verborgen , den Unmündigen aber offenbart hast , sagt der Herr.«
    Carl hört Holzkamp: › Manchmal ist Roghmann regelrecht naiv , was die Folgen falscher Annahmen auf der philosophischen Ebene anlangt. Aber wenn man sich seine Promotion anschaut , weiß man auch , wie es dazu kommt. ‹
    »Viel wichtiger ist das Gebet , Carl. Die regelmäßige Teilnahme an den Gottesdiensten.«
    »Bernhard und ich …«
    »Ich bin sehr froh , daß ich euch beide jetzt morgens immer zusammen in der Beterkapelle sehe. Wenn Jungen freiwillig früher aufstehen und in die Messe gehen , während die Kameraden noch schlafen – das ist sehr gut. Es trägt viel mehr zur Vertiefung des Glaubens bei als dicke Bücher.«
    »Ich merke auch , daß es mir guttut. Obwohl es manchmal schwer ist.«
    »Der Teufel setzt alles daran , unseren Hang zur Bequemlichkeit siegen zu lassen , und so sorgt er auch dafür , daß sich das Kopfkissen besonders weich anfühlt , wenn der Wecker klingelt. Das sind schwere Kämpfe , die man führen muß , Tag für Tag. Ein Leben lang.«
    › Der Präses schläft die wenigen Stunden , die er überhaupt schläft , auf dem nackten Fußboden ‹ hat die Maxius gesagt. › Den größten Teil der Nacht verbringt er kniend im Gebet vor dem Bild des gemarterten Herrn. ‹
    »Vergiß aber auch nicht , dafür Sorge zu tragen , daß du den Leib Christi immer reinen Herzens empfängst. Es ist besser , sich einen Tag in Zerknirschung und Reue vom Altar fernzuhalten , als im Stand schwerer Sünde zur Kommunion zu gehen.«
    Carls Gesicht glüht auf.
    »Gerade in deinem Alter , wo die Versuchung ständig und überall lauert , der Wille aber noch nicht genügend Kraft hat , in jeder Situation standhaft zu bleiben , muß man aufpassen , daß man nicht Gottesraub begeht.«
    Das Wort trifft Carl wie ein Tritt in die Magengrube.
    »Weißt du , was damit gemeint ist?«
    »Ich bin nicht sicher.«
    »Wenn man den Leib des Herrn im Stand der Todsünde

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